Gesprächskreis für Angehörige von Erkrankten
Mit Rat und Tat 
zur Seite stehen

Foto: Hermans

Von Hans-Willi Hermans

Psychische Probleme kommen in den besten Familien vor. Leidtragende sind aber nicht nur die direkt Betroffenen, sondern häufig auch ihr persönliches Umfeld. Deshalb bietet der Verein Rat und Tat in Höhenberg Gesprächskreise für Angehörige psychisch kranker Menschen im Sozialpsychiatrische Zentrum an.

Neuer Gesprächskreis in Höhenberg
Kürzlich schaute eine Frau vorbei, deren Bruder an Schizophrenie erkrankt ist, berichtet Ralf Fischer vom fünfköpfigen Vorstand des Vereins Rat und Tat. Er habe sie permanent belästigt, wollte sogar über den Balkon in ihre Wohnung eindringen. Sie bekam Angst und ließ ihn nicht herein. „Sie hatte deshalb schwere Schuldgefühle. Wir mussten sie erst einmal davon überzeugen, dass sie richtig gehandelt hat“, so Fischer.
Die Mitglieder von Rat und Tat bieten Familienmitgliedern, Partnern oder Freunden von psychisch erkrankten Menschen nicht nur am Sitz des Vereins im „Worringer Bahnhof“ in Nippes Rat und Unterstützung. Auch dezentral, im Rahmen von nunmehr acht Gesprächskreisen in verschiedenen Bezirken. Anfang März ging ein neuer Gesprächskreis in Höhenberg an den Start.

Kooperationspartner ist in diesem Fall das Sozialpsychiatrische Zentrum (SPZ) Köln-Kalk, eine Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Angehörigen. Das SPZ stellt Rat und Tat zweimal im Monat Räume an der Olpener Straße 110 zur Verfügung. Der Verein wurde im Jahre 1985 als Selbsthilfegruppe von Angehörigen gegründet, einige Mitglieder leiten als Moderatoren ehrenamtlich die Gesprächskreise. „Manchmal geht es nur darum, dass ein Tabu überwunden werden muss“, berichtet Verona Kriwet-Baumann, die wie Fischer persönliche Erfahrungen mit einem psychisch kranken Familienmitglied gesammelt hat. „Früher wurde gar nicht darüber gesprochen. Wir durften als Kinder noch nicht einmal Freunde mit nach Hause bringen.“

Seelische Probleme
Noch immer herrsche die Vorstellung, dass die Familie schuld sei, wenn jemand unter seelischen Problemen leidet. „Obwohl wissenschaftlich längst bewiesen ist, dass das nicht stimmt“, stellt Kriwet-Baumann klar. Unbekannt sei auch, dass Menschen, die mit psychisch kranken Partnern, Eltern, Söhnen oder Töchtern, Brüdern oder Schwestern zusammenleben, ein erhöhtes Risiko eingehen, selbst seelisch zu erkranken.
Deshalb werden in den Gesprächskreisen oft die Möglichkeiten von alternativen Modellen erörtert, betreutes Wohnen etwa. Auch wüssten viele Angehörige und Freunde nicht, welche finanziellen Leistungen ein psychisch kranker Mensch in Anspruch nehmen kann, oder welche Stellen gegebenenfalls Unterstützung bieten. „Die Situation ist gerade im Moment nicht ganz einfach, weil in Köln kaum Wohnungen zu kriegen sind“, sagt Martin Vollberg, angehender Koordinator des SPZ Köln-Kalk. Aber weil in den Gesprächskreisen Menschen mit ähnlichen Problemen sitzen, sei die Chance groß, nebenbei den einen oder anderen brauchbaren Tipp aufzuschnappen.

Deshalb suche der Verein ständig Leute, die gern als Moderatoren arbeiten würden, eine spezielle berufliche Vorbildung ist dafür nicht nötig. „Außerdem bieten wir eine Supervision an, und man kann sich regelmäßig mit den anderen Moderatoren austauschen“, sagt Ralf Fischer. Seit mehr als 25 Jahren verwaltet der Rat und Tat e.V. zudem die Kölner Stiftung für psychisch Kranke und ihre Angehörigen, die Betroffenen Beträge von 15 Euro bis 11 00 Euro für Kleidung, Sprachkurse, Laptops oder auch mal eine Wohnungseinrichtung zuerkennt.
Auf Spenden ist allerdings auch der Verein selbst angewiesen, dessen Arbeit nur zum Teil über die Beiträge seiner rund 180 Mitglieder und die Zuschüsse von Stadt, Landschaftsverband und den Krankenkassen gedeckt ist. „Rund 15 00 Euro im Jahr müssen wir selbst aufbringen“, sagt Fischer. „Eine besonders dankbare Teilnehmerin an einem Gesprächskreis hat mal 1000 Euro gespendet, aber das ist die Ausnahme.“

Termine zwei Mal im Monat
Der Gesprächskreis in den Räumen des Sozialpsychiatrischen Zentrums in Höhenberg fand erstmals am 4. März von 18.30 bis 20 Uhr statt. Aktuell wird er jeweils am ersten und dritten Montag im Monat zur gleichen Uhrzeit veranstaltet. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht notwendig.
Eine persönliche, ebenfalls kostenlose Beratung durch Mitglieder von Rat und Tat ist nur am Sitz des Vereins in Nippes möglich (Kempener Straße 135). Potenzielle Termine können von Montag bis Donnerstag zwischen 11 und 13 Uhr telefonisch unter 0221/913 94 01 abgesprochen werden. Weitere Informationen für interessierte Personen gibt es darüber hinaus unter ratundtat-ev.koeln.

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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