Passanten
Von der Fläche in den Raum

Wolfgang Hunecke mit seinen „Passanten“.  | Foto: Foto Rolf Thienen
  • Wolfgang Hunecke mit seinen „Passanten“.
  • Foto: Foto Rolf Thienen

Beuel (rth). Geht man heute durch eine Stadt, ist man zumeist ein Getriebener. Verkehrsmittel aller Art ringen um die Vorherrschaft den knappen Verkehrswegen. Und selbst untereinander verhalten sie sich feindlich gegenüber. Rücksicht kennt man in den seltensten Fällen. Der Egoist ist der König der Straßen. Egel ob im Auto, im Bus oder Straßenbahn oder als radfahrender Verkehrsteilnehmer.

Jetzt wurde in Beuel auf dem Konrad Adenauerplatz, einem jener Brennpunkte des täglichen Verkehrsgeschehens in Beuel, eine Skulptur von Wolfgang Hunecke platziert mit dem Titel „Passanten“. Es ist schon ein eigentümlicher Begriff „Passanten“, erinnert er doch zumindest die älteren und dann auch noch literatur- und kunstinteressierten Mitbürgerinnen und Mitbürger an den Begriff des „Flaneurs“. Jenem Menschenschlag, der um die Zeit des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts abseits von Hast und Hektik, von Zielgerichtetheit oder Termindrücken die Straßen entlang ging oder die damals auch aufkommenden Passagen aufsuchte, um hier entweder alleine oder im Kreise Gleichgesinnter der Zeit etwas abzugewinnen, was man heute ja nicht mehr hat, nämlich eben jene Zeit. Verstärkt wird dieser Zusammenhang noch dadurch, das durch Marcel Proust dem männlichen Flaneur die weibliche „la passante“ gegenüber manifestiert wird.

Doch das ist längst vorbei. Und selbst die hochtrabend „Passage“ genannten Shoppingmals oder Einkaufshöhlen in und unter den Bahnhöfen, in denen der immer dramatischer werden Überfluss des Genusses mit der ebenso immer dramatischer werdenden Verelendung bestimmter Bevölkerungsgruppen konkurriert, strotzt vor Hektik. Einer Hektik, die vielleicht vor dem Elend flüchtet, dass man nicht sehen und erst recht nicht wahrhaben will.

Wolfgang Hunecke befragt, wann ihm der Gedanke zu dieser Skulptur gekommen und was die Idee zu dieser gewesen sei, antwortete, dass er sich schon immer für Gruppen von Menschen interessierte. Dabei seien es nicht bestimmte Personen, die er zusammenführt. Es seien Personen, die in seinem Kopf entstanden sind und in Zeichnungen festgehalten wurden. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass die Personen der Gruppen immer aufeinander angewiesen sind, sich gegenseitig bedingen. Die eine Person kann ohne die andere nicht existieren, so wie wir ja auch im realen Leben auf Mitmenschen angewiesen sind. Täglich, immer.

Zum Ausdruck kommt dies bei der Skulptur „Passanten“ dadurch, das die einzelnen Figuren aus einer einzigen Edelstahlplatte geschnitten wurden, wobei die Schnittstelle für jeweils zwei Figuren eine einheitliche Kontour ergibt, einmal links, bei der anderen rechts, oder anders ausgedrückt positiv und negativ. Erst mit der Montage auf die gemeinsame Basis werden sie leicht verdreht, womit sie nicht mehr nur nebeneinander stehen, sondern auch gegenüber. Sie sind damit quasi aus der Fläche der Edelstahlplatte in den Raum des Konrad-Adenauer-Platzes gerückt.Und nun stehen sie da, die 13 aus der Edelstahlplatte geschnitten Figuren, in verschiedene Richtungen schauend, irgendwie zusammengehörend aber ohne jegliche sichtbare Kommunikation untereinander, vereinzelt, singulär, einsam, aber eine Gruppe bildend: ein Zeichen für die heutige Gesellschaft. Es gibt auch keine besondere Beziehung der Gestalten zu ihrer Umgebung, dem wohl geschäftigsten Platz in Beuel mit viel Auto-, Bus- und Bahnverkehr und noch mehr Menschen, die umherlaufen. Die meisten sicherlich ein Ziel vor Augen, kreuz und quer aus allen Richtungen - und „die Passanten“ mittendrin, aber sind sie auch dabei?

Und je länger man sich mit den Gedanken beschäftigt, die einem beim Anblick dieser Skulptur kommen, merkt man vielleicht, das man genauso einsam in all dem Trubel und der Hektik und den Verpflichtungen gegenüber Freunden, Kollegen usw. eingebunden und auf Trab gehalten wird, dass man im Grunde genommen doch etwas einsam dasteht, eben in all dieser Hektik. Und deswegen ist diese Skulptur ein wichtiger Moment in der Alltäglichkeit, die geprägt ist von Außeneinflüssen, Bestimmungen, wobei etwa ganz wichtiges verloren geht und ich erinnere mich da an einen Satz, der wohl auf Schobert und Bläck in einem Song aus den 80er bzw. 90er Jahren zurückgeht: „Meine Zeit war die Zeit als man noch Zeit hatte, Zeit zu haben.“

Die „Passanten“ sollten uns daran mahnen, zumindest einen kleinen Teil von diesem Bewusstsein in die Gegenwart zu retten.

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RAG - Redaktion

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