Forschung
Alzheimer hat viele Gesichter

Prof. Monique Breteler ist Direktorin für gesundheitsbezogene Populationsforschung am DZNE sowie Leiterin der „Rheinland Studie". | Foto: we
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Bonn - (we). Prof. Monique Breteler ist eine der weltweit führenden
Expertinnen auf dem Feld der Neuroepidemiologie. Sie erforscht am
Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) auf dem
Venusberg Ursachen und Wirkung von Krankheit und Gesundheit in der
Gesamt-Bevölkerung Der Schwerpunkt liegt auf Erkrankungen des
zentralen Nervensystems wie etwa Alzheimer.

„Es wird nie eine Pille geben, mit der man die Degeneration des
Gehirns beseitigen kann", sagt Prof. Breteler. Dazu seien die Ursachen
degenerativer Erkrankungen des Nervensystems zu vielfältig. Es gibt
junge Menschen, die krank sind. Ältere, die vergessen, wie sie
heißen und wo sie sind. Menschen, bei denen die Erkrankung erst im
hohen Alter von 80 oder 90 auftritt. Ist die Erkrankung genetisch
angelegt oder im Laufe eines langen Lebens „erworben"? Welchen
Einfluss haben die Lebensumstände auf den Krankheitsverlauf? Kann man
sich durch gesunde Ernährung oder durch Bewegung davor schützen?
Warum werden die überflüssigen Eiweiße im Hirn, die als ursächlich
für die Krankheit angenommen werden, bei Erkrankten nicht
abtransportiert, während das bei Gesunden problemlos funktioniert?

All das weiß noch niemand. Um aber helfen zu können, müsste man
zunächst die Krankheit verstehen. Das versucht das DZNE auf
vielfältige Weise. Da ist zunächst die Grundlagenforschung. Sie
beschäftigt sich zum Beispiel damit, wie die sich ständig
strukturiert erneuernden Verbindungen der Nervenbahnen im Hirn
funktionieren oder wie sich Eiweiße ablagern. Das ist also die
Fahndung nach den Krankheitsmechanismen. Der zweite Strang des DZNE
ist klinische Forschung. Hier geht es um die Diagnose. Vergisst man
mal, wo der Autoschlüssel liegt: Ist man dann schon
Alzheimer-Patient? Und wenn man Patient ist, welche therapeutischen
Möglichkeiten gibt es dann?

Die dritte „Abteilung" – die Versorgungsforschung – will eine
bessere Lebensqualität für Erkrankte und Angehörige erreichen.
Indem man dort die Versorgung von Erkrankten verbessern will. „Am
Ende wollen wir aber Krankheiten vorbeugen und Gesundheit fördern. Da
reicht es nicht, sich nur auf Zellen zu fokussieren. Wenn man
Maßnahmen für Menschen entwickeln will, muss man sich die Menschen
genauer ansehen", so Prof. Breteler. dafür ist dann die vierte Säule
des DZNE zuständig,die Populationsforschung. Hier soll die
Bevölkerung untersucht werden. Um schließlich zu wissen, welches die
Schutz- und Risikofaktoren für Erkrankungen wie Alzheimer und Co.
sind und um Präventionsmaßnahmen daraus abzuleiten.

Diese sogenannte „Rheinland Studie" ist weltweit einzigartig. Sie
hat soeben in Bonn begonnen. In Beuel und in Duisdorf stehen bereits
funktionstüchtige Untersuchungszentren, in denen Studien-Teilnehmer
intensiv auf ihren Gesundheitszustand untersucht werden. Das
Einwohnermeldeamt liefert die Adressen. Es folgt ein
Einladungsschreiben des DZNE. „Unsere Teilnehmer werden von hoch
qualifiziertem Studienpersonal untersucht", sagt Prof. Breteler.
„Wir geben ausgewählte Untersuchungsergebnisse an unsere Teilnehmer
zurück und empfehlen ihnen, ggf. auffällige Werte von ihrem Haus-
oder Facharzt abklären zu lassen"

Die Studie, die 30.000 Teilnehmer jeweils im Abstand mehrerer Jahre
für insgesamt 30 oder mehr Jahre begleiten soll, „ist kein
Gesundheitscheck", so Prof. Breteler. „Altersbedingte Erkrankungen
entwickeln sich meist über viele Jahre eines langen Lebens", so Prof.
Breteler. „Um mehr über die Ursachen zu erfahren, erforschen wir
die komplexen Zusammenhänge zwischen Lebensstil, genetischen
Faktoren, Umwelteinflüssen." Natürlich nutzen die Wissenschaftler
alle neuen technischen Möglichkeiten.

„Heute gibt es Bild gebende Verfahren und Rechnerkapazitäten, die
es ermöglichen, hoch komplexe Kausalzusammenhänge im menschlichen
Hirn abzubilden", erklärt Prof. Breteler. „Wann besteht eine
Tendenz zu Alzheimer und kann man sich dagegen schützen" – diese
Frage soll beantwortet werden. „Und selbst wenn alle Hinweise eine
Erkrankung erwarten lassen, wird doch nicht jeder mit noch so
eindeutigen Symptomen krank." Ein weites Feld also, und man steht erst
am Anfang der Studie.

Der Austausch übrigens zwischen den verschiedenen Zweigen des DZNE
und etwa der Uni-Klinik erfolgt ständig. So dass alle immer auf
demselben Stand der Erkenntnisse sind. Wenn am Ende aller Arbeit,
vielleicht in 10 oder 20 Jahren, Personen mit einem erhöhten Risiko
für bestimmte Erkrankungen frühzeitig identifiziert werden können
und die Entwicklung eines personalisierten Präventionskonzeptes
stehen sollte, wäre das Ziel der Rheinland Studie erreicht. Auf eine
einzige Pille gegen die Erkrankung wird man allerdings wohl vergebens
warten.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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