Immobilienmarkt
Auf dem Weg in die Immobilienblase?

Foto: Adobe Stock © Jürgen Fälchle
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Der deutsche Wohnungs- und Immobilienmarkt bleibt angespannt, das
Platzen der vielfach beschworenen Blase ist bislang ausgeblieben. Die
Frage lautet trotzdem: Wie lange hält sie noch?

Sinkende Kreditzinsen auf der einen Seite, stetig steigende Preise auf
der anderen: Sein Geld in Immobilien zu investieren, so der Tenor seit
mittlerweile mehr als zehn Jahren, ist eine lukrative
Anlagemöglichkeit und die vielleicht beste Chance, den Wunsch vom
Eigenheim zu realisieren.
Die Entwicklungen am Markt drohen jedoch seit Jahren eine gefährliche
Schieflage zu fördern: Kredite bleiben zwar günstig, das Bauen an
sich wird wegen der hohen Nachfrage trotzdem immer teurer. Bei
Bestandsimmobilien sieht es kaum besser aus, ob Haus, Eigentumswohnung
oder Mietwohnung – die Preise klettern und sind längst nicht mehr
für jedermann erschwinglich.

Ob in Deutschland eine Immobilienblase entsteht – oder besteht –,
wie sie zuletzt in den USA für schwerste Verwerfungen gesorgt hat,
wird unter Experten immer noch diskutiert.

Angespannte Lage

Die deutschen Städte wachsen. Nicht nur die Metropolen, die
eigentlich am Ende ihrer Kapazitäten angelangt und dennoch für viele
Menschen immer noch attraktiv sind. Auch kleinere Städte konnten in
der jüngeren Vergangenheit einen teils deutlichen Anstieg der
Einwohnerzahlen vermelden, die sogenannten Schwarmstädte bieten
häufig ähnliche Voraussetzungen wie die Großstädte – aber mit
bezahlbaren Preisen.

Der anhaltende Zuzug in die Städte – von Arbeitsuchenden bis zu
Best-Agern, die ihren Lebensabend in einer möglichst
abwechslungsreichen und infrastrukturell starken Umgebung verbringen
möchten – macht sich daher überall bemerkbar: Der Wohnraum wird
knapp, die Preise für Immobilienkäufe und Mieten steigen.

Der
Mietspiegelindex
2019 von F+B
belegt den bundesweiten Trend, die Mieten sind
demnach in ganz Deutschland um 1,8 Prozent gestiegen. Immerhin liegt
dieser Wert unter dem des Vorjahres, günstiger wird es für Mieter in
der Republik dadurch dennoch nicht.

Überraschender ist hingegen, dass München es bei den ortsüblichen
Vergleichsmieten im vergangenen Jahr „nur noch“ auf den sechsten
Platz kommt – teuerste Großstadt ist inzwischen Stuttgart. Was sich
am Index allerdings auch gut ablesen lässt: Die Menschen weichen
zunehmend wieder von den Zentren ins Umland aus. Mit Karlsfeld,
Germering und Dachau liegen drei Gemeinden aus dem Münchener Umland
unter den Top 5 der teuersten Städte.

Schwere Zeiten für Mieter

Laut Empirica-Institut lässt sich dieses Phänomen mittlerweile nicht
mehr nur in den Metropolen beobachten, betroffen sind genauso die
Schwarmstädte. Selbst hier überlegen sich inzwischen viele
Zuzugswillige, ob sie nicht doch lieber auf solche Städte ausweichen,
die zwar weniger attraktiv sind, dafür aber bezahlbare Mietpreise
bieten. In den Schwarmstädten stagnieren die Mieten dadurch zwar,
dafür steigen sie an anderer Stelle.

Wer einen neuen Mietvertrag abschließen will, muss daher vielerorts
– die regionalen Unterschiede, etwa zwischen West und Ost, sind
immer noch gravierend – tief in die Tasche greifen.

17,50 Euro/m2

kostete die Miete in München im 4. Quartal 2019 – nirgendwo
sonst in Deutschland lag der Mietpreis höher.

Bei den Mietpreisen für Neuverträge landete beispielsweise die
bayerische Landeshauptstadt im letzten Quartal 2019 doch auf dem
ersten Platz. Durchschnittlich 17,50 Euro kostete der Quadratmeter
hier und damit deutlich mehr als in den immer noch teuren Metropolen
Frankfurt am Main (14,48 Euro/Quadratmeter) und Stuttgart (14,20
Euro/Quadratmeter). In Darmstadt, Mainz, Wiesbaden, Freiburg,
Düsseldorf, Heilbronn und Hamburg liegen die Durchschnittspreise
ebenfalls hoch, bei mehr als 12 Euro pro Quadratmeter.

Immobilien als Spekulationsobjekt

Kaum weniger rosig sind die Aussichten für diejenigen, die noch mit
dem Gedanken an einen Immobilienkauf oder an den Bau des Eigenheims
spielen. Niedrigzinsen scheinen verlockend, allerdings sorgen genau
die dafür, dass die Preise in den vergangenen Jahren drastisch
angezogen haben.
Die Folge ist zwar eine vergleichsweise milde Zinslast, dafür
erfordern steigende Preise immer mehr Eigenkapital. Für private
Käufer und Hausbauer ein echtes Problem, da die Einkommen nicht in
gleichem Tempo steigen – es fehlt vielfach an Eigentumspotenzial. In
einem Land mit einer ohnehin niedrigen Eigentumsrate verbessert das
die Chancen keineswegs.

Dabei bietet der Bund besonders für Bestandsgebäude weitreichende
Hilfen zur Verfügung, Millionen fließen
etwa
in Förderprogramme für energetische Sanierungen
. Das
passende Haus, um solche Finanzhilfen in Anspruch nehmen zu können,
muss trotzdem vorher gekauft werden, was sich in vielen Regionen
Deutschlands als das schwierigere Unterfangen erweist.

Für Investoren bestehen diese Schwierigkeiten in der Regel nicht, sie
sind deshalb frühzeitig in den Markt eingestiegen und erschweren die
Bedingungen für Privatleute umso mehr. Die Aussichten, Immobilien mit
Gewinn weiter zu veräußern oder zu vermieten, sind prinzipiell noch
immer vorhanden – solange die Preise weiter steigen.

Erschwinglich – im europäischen Vergleich

In der Zusammenfassung des
Deloitte
Property Index für das Jahr 2019
weisen die Experten darauf
hin, dass dem Preiswachstum bei Wohnimmobilien in Europa keine Grenze
gesetzt zu sein scheint. Denn vor dem europäischen Hintergrund
erscheinen die Preise für Mieten und Kaufen in Deutschland geradezu
erschwinglich.

Während die Studie dem Preiswachstum am deutschen Immobilienmarkt
eine leichte Verlangsamung erkennt, klettern die Wachstumsraten in
anderen Ländern sogar im zweistelligen Bereich: In Tschechien, Ungarn
oder Portugal ziehen die Preise deutlich an, was angesichts der
dortigen Einkommensstrukturen schwerwiegende Konsequenzen hat, vor
allem im Hinblick auf den Erwerb von Wohneigentum.

Einer der Gründe, warum die Immobilienpreise flächendeckend in ganz
Europa – einzige Ausnahme: Italien – weiter steigen, ist die
anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die
Bemühungen, die niedrige Inflationsrate und die schwächelnde
Konjunktur in Europa durch einen Leitzins von 0,0 Prozent zu
korrigieren, haben vor allem auf dem Immobilienmarkt ihren Teil zu den
jetzt herrschenden Verhältnissen beigetragen.

Ebenso deutlich zeigt sich die immer stärker abweichende Entwicklung
der Kaufpreise zwischen städtischen und ländlichen Regionen: Städte
wie Hamburg, Berlin, Frankfurt liegen mehr als 50 Prozent über dem
Bundesdurchschnitt, während München sich mit einem Abstand von 130
Prozent vom deutschen Immobilienmarkt weitgehend abgekoppelt hat.

Michael Müller, Industry Leader Real Estate bei Deloitte

Anlagen in Immobilien sind die logische Alternative, wenn
herkömmliche Kapitalanlagen Verluste einfahren. Bauen war und ist so
günstig wie nie zuvor, zumindest von den Zinsen her betrachtet. Die
Kehrseite der Medaille sind steigende Preise etwa bei den
Baumaterialien durch die erhöhte Nachfrage. Billiges Geld wiegt die
höheren Kosten nicht mehr auf, vor allem der Immobilienkauf ist
dadurch – je nach Lage und Region – erheblich schwieriger
geworden.

Auch darauf verweist die Deloitte-Studie, auf die nach wie vor
abweichende Preisentwicklung zwischen Stadt und Land. Verglichen mit
dem bundesweiten Durchschnitt liegen die Immobilienpreise etwa in
Berlin und Hamburg rund 50 Prozent höher, in Frankfurt am Main sogar
knapp über 80 Prozent. Das alles toppt einmal mehr München, mit
Kaufpreisen, die 130 Prozent über dem Gesamtdurchschnitt liegen.

Immobilienblase mit Vorgeschichte

Die Entwicklungen auf dem deutschen Immobilienmarkt geben mindestens
Anlass, über die Entstehung einer neuen Immobilienblase zu
diskutieren. Die Anzeichen einer solchen Blase sind jedenfalls in den
vergangenen Jahren durchaus erkennbar gewesen: In vielen Städten
steigen die Kaufpreise schneller als die Mieten und als die Einkommen.
Wohnungen werden in größerer Zahl als Spekulationsobjekt gebaut.
Für diese Vorhaben, aber nicht ausschließlich, werden immer mehr
Kredite aufgenommen.

Auch diese Indikatoren untersucht das Empirica-Institut
quartalsmäßig. Für das abschließende Quartal 2019 zeigte der
Gesamtindex für die Republik Stagnation. Ausnahme war der
Preis-Einkommen-Index, dennoch ist diese Entwicklung eine positive
Nachricht – eine Verschärfung der Immobilienblase ist damit
deutlich geringer.

Verbunden ist diese Prognose mit einem „Aber“: Denn die
Entwicklung verläuft nicht in allen Städten und Regionen gleich,
einige weichen immer noch vom durchschnittlichen Verlauf ab. Das
heißt, in verschiedenen Großstädten besteht weiterhin die reale
Gefahr, dass die Blase nicht nur weiterhin wächst, sondern womöglich
sogar platzt.

Amerikanische Verhältnisse

Die letzte große Immobilienblase ist vor mittlerweile 13 Jahren
geplatzt, ihre Ursprünge gehen sogar noch weiter zurück. Befeuert
wurde sie nämlich bereits vor der Jahrtausendwende, nicht zuletzt
durch eine weitläufige Praxis bei der Kreditvergabe, in der die
Bonität der Kunden nur eine untergeordnete Rolle spielte.

Was für einkommensschwache Familien die Erfüllung ihres Traums vom
Eigenheim bedeutete, resultierte wegen der hohen Nachfrage schnell in
steigenden Immobilienpreisen. Zurückhaltung bei der Kreditvergabe
übten die amerikanischen Banken dennoch nicht, sie liehen sich im
Gegenteil selbst das notwendige Geld, um Immobilienkredite
refinanzieren zu können.

Ab 2006 zeichnete sich dann die Wende ab, weil Kredite in immer
größerer Zahl nicht bedient werden konnten, während zugleich die
Refinanzierungen der Banken nicht aufgingen. In der Folge wurden
zunehmend Häuser aufgegeben, die Preise für die Immobilien stürzten
ab – und mit ihnen die Sicherheiten der Kredithäuser.

Die Folgen trafen auch den Wertpapiermarkt, ihren Höhepunkt erlebte
die Krise mit dem prominenten Insolvenzfall der Lehman
Brothers-Investmentbank, der zugleich 2008 den Beginn einer
internationalen Finanzkrise einläutete.

Weltweite Auswirkungen

Wenn heute über eine mögliche Immobilienblase in Deutschland
gesprochen wird, geschieht das vor dem Hintergrund der Ereignisse vor
12 Jahren. Die Niedrigzinspolitik der EZB ist eine der Antworten auf
die Krise, um einer hart getroffenen Wirtschaft wieder auf die Beine
zu helfen und nicht zuletzt die Euro-Zone zu retten.
Verkürzt betrachtet folgt der angeheizte europäische Immobilienmarkt
heute aus den Fehlern, die schon zwischen 2006 und 2008 in den USA
gemacht wurden. Umso besorgniserregender ist daher die Tatsache, dass
dieselben Prozesse seit einigen Jahren wieder greifen und eine
ähnliche Entwicklung vorantreiben – und das weltweit.

Die deutsche Immobilienblase?

Im Grunde ist es also schwierig, die Veränderungen auf dem deutschen
Immobilienmarkt losgelöst von gesamteuropäischen oder
internationalen Entwicklungen zu betrachten. Dass beispielsweise die
Immobilienpreise in den USA innerhalb von zehn Jahren nach der Krise
auf ein neues Rekordhoch geklettert sind, höher als noch als vor dem
Platzen der letzten Immobilienblase.

Schon zeichnet sich in den amerikanischen Großstädten aber eine
Trendwende ab, die Preise für Eigentumswohnungen und Häuser sind
rückläufig. Im Euro-Raum verhält es sich, zumindest was die
Preisentwicklung anbelangt, ganz ähnlich. In den vergangenen fünf
bis sechs Jahren sind die Immobilienpreise im Verhältnis zu den
Jahresmieten annährend auf das Niveau gestiegen, das 2008 verzeichnet
wurde.

Regionale Unterschiede

Gleichmäßig verläuft die Entwicklung, wie bereits angesprochen,
jedoch keineswegs. Die kritischsten Regionen sieht der
Empirica-Blasenindex daher dort, wo sich die Preise ohnehin deutlich
vom Durchschnitt abheben. Im Umkehrschluss bedeutet das einen relativ
großen Anteil an Regionen, die in den Bereichen zwischen „keine
Gefahr“ und „mäßige Gefahr“ liegen.

Zu den Städten, in denen Kaufpreise und Mieten besonders deutlich
auseinanderklaffen, gehören Bremen, Düsseldorf, Hamburg, Essen,
Köln, Dortmund, Frankfurt am Main, Stuttgart, München, Berlin,
Dresden und Leipzig. Die Voraussetzungen sind auch unter diesen
Städten sehr verschieden, die Preise von Leipzig lassen sich
beispielsweise kaum mit denen in München vergleichen, die Trends
dahinter allerdings schon.

Gegen den Markt, gegen die Blase

Ungeachtet der Frage, ob die Entwicklungen auf dem deutschen
Immobilienmarkt tatsächlich eine Blase implizieren – sie deuten
zumindest auf eine gefährliche Eskalation hin, in der vor allem
Privatleute häufig das Nachsehen haben.

51,5 Prozent

der Deutschen verfügen über Wohneigentum – im EU Vergleich der
niedrigste Wert und deutlich unter dem Durchschnitt.

Dabei sind die steigenden Kaufpreise nur das eine Problem, in einem
Land wie Deutschland, mit einer geringen Eigentumsquote, erweisen sich
die anziehenden Mietpreise als die größere Schwierigkeit. Nur etwas
mehr als die Hälfte der Menschen verfügen über Wohneigentum, im
europäischen Vergleich bedeutet das den letzten Platz, der
EU-Durchschnitt liegt bei 69 Prozent.

Umwandlungsverbot als Eigentumsbremse

Eine Besserung ist laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)
auch
nicht zu erwarten
. Zwar bleibt Wohneigentum weiterhin überaus
attraktiv, dafür sorgen nicht zuletzt die seit Jahren sinkenden
Wohnkostenbelastungen. Die sind dank der Zinsentwicklung für
Eigentümer weniger stark zu spüren als bei Mietern.

Die Schwierigkeiten liegen in den schon beschriebenen
Kapitalanforderungen und Erwerbsnebenkosten. Zwischen 20 und 30
Prozent, so das IW, müssen beim Immobilienkauf aufgebracht werden –
bei stetig steigenden Preisen ist das für viele, trotz
durchschnittlich höherer Löhne und mehr Erwerbstätigkeit, nicht
realistisch.

Besonders mit Blick auf Eigentumswohnungen droht ein neuer
Gesetzesentwurf, die Zugangsmöglichkeiten zu Wohneigentum noch weiter
einzuschränken. Im Raum steht ein Umwandlungsverbot, das den Verkauf
einzelner Wohnungen in Mehrfamilienhäusern an eine
Genehmigungspflicht koppeln soll.

Die Absicht dahinter: Einkommensschwache Mieter sollen so vor der
Verdrängung geschützt werden, falls ein Kauf der Wohnung, in der sie
aktuell zur Miete wohnen, finanziell nicht machbar ist. Unter die
Regelung würden alle Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten
fallen, wo also schon heute die Mietpreisbremse greift.

Durch die verschärften Regelungen für eine mögliche Umwandlung
werden die Handlungsoptionen für Mieter in Großstädten aber weiter
eingeschränkt. Dort fehlt es an Einfamilienhäusern als Alternative
zur Eigentumswohnung, eine Umwandlung der Wohnung kann aber
andererseits daran scheitern, dass weniger als die erforderlichen zwei
Drittel der Mieter ebenfalls eine Kaufabsicht hegen.
Möglichkeiten, die potenzielle Verdrängung zu verhindern und
gleichzeitig Umwandlungen zu erleichtern, sieht das IW durchaus, etwa
in Nachrangdarlehen, wie sie in Schleswig-Holstein und
Nordrhein-Westfalen erteilt werden. Auch so kann soziale
Wohnraumförderung aussehen.

Wohnbaupolitik gegen steigende Mieten

Die andere Möglichkeit sieht Professor Sebastian Dullien,
wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) in einer stärkeren Beteiligung des Bundes
beim Wohnungsneubau, wie er gegenüber dem ZDF erklärte.

Denn die bisherigen Maßnahmen, um für eine Entlastung bei den
Mietpreisen zu sorgen – Mietpreisbremse und Mietendeckel – lassen
das grundsätzliche Problem unangetastet. Zwar steigen die Mieten
nicht oder nur in moderatem Umfang, mehr Wohnungen entstehen auf
diesem Weg allerdings nicht.

Da nicht schnell genug gebaut werden kann, kann es in einer Situation
von Wohnungsmangel zum Überschießen von Mieten kommen. Diesen
Anstieg können gesetzliche Eingriffe wie Mietpreisbremse und
Mietendeckel abfedern. Wenn aber nicht gleichzeitig gebaut wird, hilft
das auf Dauer nicht.

Prof. Dr. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des
IMK

Eine Bundesinitiative „Zukunft Wohnen“ soll daher den Kommunen
Unterstützung bieten, um den Wohnungsbau voranzutreiben: Mit
finanzieller Unterstützung für kommunale Wohnungsbauunternehmen, die
so ihr Eigenkapital aufstocken können. Mit dem Aufbau von
Grundstücksfonds, um öffentliche Grundstücke nicht verkaufen zu
müssen. Mit dem Entsenden von Planer*innen, die Bauvorhaben
beschleunigen können.

Vorbild Wien?

Der Experte verweist dabei auf die Wohnbaupolitik der Stadt Wien, die
sich in hohem Maße
um
den öffentlichen Wohnungsbau kümmert
. In der
österreichischen Hauptstadt hat sozialer Wohnungsbau Tradition, ein
Mangel an Wohnraum wird mit verschiedenen Maßnahmen ebenso
unterbunden wie die Veräußerung von kommunalen Baubeständen – und
damit letztlich die Gefahr von Immobilienblasen.

Gleichzeitig entsteht hochwertiger Wohnraum, der dennoch bezahlbar ist
– die Mieten in den Gemeindebauten der Stadt sind gedeckelt und
liegen deutlich unter den sonst üblichen Mietpreisen. Die bewegen
sich auf dem privaten Wohnungsmarkt je nach Lage nämlich in einer
Liga mit München, in der Innenstadt sogar noch darüber.

Einen gravierenden Haken hat die Wiener Wohnbaupolitik allerdings: Die
kommunal geförderten Wohnungen stehen nicht allen Einwohnern zur
Verfügung, jedenfalls nicht unmittelbar. Mehrere Jahre muss der
Wohnsitz in Wien gelegen haben, selbst dann ist fraglich, ob eine der
begehrten Wohnungen zur Verfügung steht. Dennoch zeigt das Beispiel
Wien, dass Wege aus einer potenziellen Immobilienblase und zu einer
Beruhigung des Wohnungsmarktes durchaus bestehen – sie müssen
lediglich gegangen werden.

Die ungeklärte Frage

In der Frage, ob der deutsche Immobilienmarkt bereits in einer
gefährlichen Blase stecke oder zumindest auf eine zusteuere, herrscht
unter den Experten weiterhin Uneinigkeit. Die Indizien sprechen
durchaus dafür, sind allerdings ungleich verteilt – sollte der
Markt bereits so überhitzt sein, dass er eine ähnlich rasante
Trendwende nimmt wie der US-amerikanische, spielt das jedoch kaum eine
Rolle: Denn die Folgen werden weitreichend sein und sich nicht allein
auf die gefährdeten Regionen beschränken.

Fakt ist, dass die Entwicklung Anlass zur Sorge gibt, aber mehr noch
Anlass zum Handeln geben sollte. Mit den bisherigen politischen
Mitteln werden nur die Symptome gelindert, die vor allem Mieter und
diejenigen, die Eigentum erwerben wollen, spüren. An der
Wohnraumsituation ändern sie indes nichts und damit bleibt das
größte Problem weiterhin bestehen.

Verständlich also, dass Wirtschaftswissenschaftler fordern, der Staat
möge sich in diesem Thema stärker einbringen. So kann gezielt der
Wohnbedarf abgedeckt werden, ohne den neu geschaffenen Wohnraum zum
Spekulationsobjekt werden zu lassen.

Bezahlbarer Wohnraum ist unter den derzeitigen Bedingungen jedenfalls
durch die üblichen Marktmechanismen nicht im erforderlichen Umfang
realisierbar – ohne Gegensteuern wird die Gefahr einer
Immobilienblase nur noch größer. Ob der deutsche Immobilienmarkt
nicht ohnehin schon mittendrin steckt, zeigt sich womöglich erst,
wenn diese Blase platzt. In diesem Fall kommen Gegenmaßnahmen erst
recht zu spät.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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