Orgelbau Schulte
Ein bergisches Handwerks-Unternehmen im Wandel der Zeit

Knapp 30 Jahre hat Firmengründer Siegfried Schulte erfolgreich Orgelbau Schulte geleitet, bevor er 2006 seinem Sohn Oliver die Firmenleitung übergab. | Foto: Wisskirchen
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  • Knapp 30 Jahre hat Firmengründer Siegfried Schulte erfolgreich Orgelbau Schulte geleitet, bevor er 2006 seinem Sohn Oliver die Firmenleitung übergab.
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Kürten - Der Orgelbau ist ein Kunsthandwerk mit einer Jahrhunderte alten
Tradition. Gerade der deutsche Orgelbau ist in der ganzen Welt bekannt
für erstklassige handwerkliche Arbeit, verbunden mit einer
unvergleichlichen Klangvielfalt und -schönheit. Viele sehr alte
Orgeln wurden schon im Mittelalter von berühmten deutschen
Orgelbauern auch für das Ausland konstruiert, wie die Kaiserorgel im
Prager Dom, die 1561 fertiggestellt wurde, oder die Orgeln in St.
Petri in Petersburg und im Dom von Helsinki. Das bergische Unternehmen
Orgelbau Schulte, mit Sitz in Bechen-Cliev, ist eines der renommierten
der heutigen Zeit und ist auch international als Spezialist im
Orgelbau anerkannt.

25 Jahre war Siegfried Schulte bei einer Kölner Orgelbaufirma
beschäftigt und an bundesweiten, wie auch internationalen
Großprojekten beteiligt. Teils maßgeblich arbeitete Siegfried
Schulte an Orgeln für Hamburg, Nürnberg, Osaka oder Lissabon, bevor
er sich 1978 in Bechen-Herweg selbständig machte. Als Werkstatt
diente der am damaligen Wohnhaus angebaute ehemalige Kuhstall. Hier
startete er mit viel Improvisationstalent und ließ seine neue Idee,
die Wandschmuckorgel, patentieren: „Ich wollte eine Orgel für
Jedermann entwickeln, insbesondere Privatkunden. Meine Idee der an
Wänden montierten und funktionsfähigen Orgelpfeifen habe ich vor
allem bei exklusiven Hausorgeln verwirklicht.“ Doch noch im gleichen
Jahr bot sich eine Alternative. Mit dem Bau seiner ersten größeren
Kirchenorgel in St. Apollinaris, Dabringhausen-Grunewald, Ende 1978
überzeugte Schulte mit der Qualität seiner Arbeit. Es folgten
weitere Aufträge und schon 1979 bezog er seine erste Werkstatt in
Odenthal-Scheuren.

Knapp 30-jähriges Wachstum der Firma und ein Generationswechsel

In den folgenden Jahren erfährt die Firma ein stetiges Wachstum.
Orgel um Orgel wird gebaut, Orgelbau Siegfried Schulte wächst zur
festen Größe im Bergischen Land und das Renommee steigt mit jedem
Neubau. Neben dem Neubau von über 30 Orgeln, dem Bau kleinerer
Truhenorgeln, Teilneubauten, Neuinterpretationen, Erweiterungen,
gehören auch die Restaurierung historischer Instrumente und
Umbau/Restrukturierung bestehender Instrumente sowie Wartung und
Pflege zum Leistungsspektrum von Orgelbau Schulte.

Schon vor längerer Zeit hatte sich Oliver, Siegfried Schultes Sohn,
entschieden in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und den Betrieb
zu übernehmen. Nach Abschluss des Abiturs und des Zivildienstes
begann er 1997 seine Lehre im väterlichen Betrieb. Dies war Anlass
für Siegfried Schulte, die mittlerweile zu klein gewordenen
Arbeitsräume in Bechen aufzugeben und im gleichen Jahr eine eigene
Werkstätte im Gewerbegebiet Cliev in Herweg zu errichten. Nach der
Ausbildung zum Orgel-und Harmoniumbauer gewann Oliver Schulte in 2001
wertvolle Einblicke in die Theorie und Praxis der Restaurierung
historischer Instrumente bei der Firma Vier im Schwarzwald, die vor
allem in restauratorischen Belangen hoch angesehenen ist. Nach
erfolgreicher Meisterprüfung und der beruflichen Fortbildung zum
Geprüften Betriebswirt HWK ist Oliver Schulte seit Anfang 2006
Inhaber des Unternehmens.

Strukturwandel im Orgelbau

Ab dem Jahr 1998 Jahren bekommt die gesamte Orgelbaubranche die
Sparmaßnahmen der Kirche, auf die knapp 70 Prozent des
Auftragsvolumens entfallen, immer heftiger zu spüren. Bis heute sind
durch den Strukturwandel im deutschen Orgelbau zwei Drittel des
Neubaugeschäftes weggebrochen. „Trotzdem gelang uns, was vielen
Orgelbaufirmen schon seit längerer Zeit verwehrt blieb, jedes Jahr
ein Neubau, 2003 sogar die in Fachkreisen gelobte Restaurierung einer
der ersten Klais-Orgeln in Bonn. Erst 2008 stürzte uns ein
geplatzter, bereits im Bau befindlicher Großauftrag in eine schwere
Krise. Mangels Perspektive orientierten sich alle unsere Mitarbeiter
neu. Umstrukturiert haben wir das Unternehmen für die geänderten
Ansprüche der Zukunft gewappnet,“ beschreibt Oliver Schulte die
Auswirkungen der Krise auf seine Firma.

Restrukturierung, ein neues Geschäftsfeld

Ein neues Projekt aus dem Jahr 2007 brachte den Anstoß für die
Wende, die Wiederverwendung einer historischen Orgel des englischen
Orgelbauers James Jepson Binns von 1907. Die alte Orgel wurde für die
Heilig-Kreuz-Kirche im Ortsteil Limperich in Bonn von Schulte in
England demontiert, komplett restauriert und erweitert.

„Was mit einer alten Orgel begann, traf bundesweit einen Nerv, die
Restrukturierung. Wir freuten uns über einen großen Auftrag, aber
dessen Bedeutung und die Auswirkungen auf unsere Zukunft wurde mir,
ehrlich gesagt, erst im Laufe des Projektes langsam klar. Die
Restrukturierung der größten historischen Orgel der
englisch-romantischen Epoche hat nicht nur einen neuen Schwerpunkt
definiert, sondern auch den Namen Schulte mit einem Schlag bundesweit
ins Gespräch gebracht,“ so Oliver Schulte.
Während der Arbeiten in Limperich knüpfte Oliver Schulte in England
erste wichtige Kontakte und arbeitete intensiv auf unterschiedlichen
Kanälen an einem eigenen Netzwerk im Vereinigten Königreich.
Innerhalb kurzer Zeit hat sich das Unternehmen in die bis dahin noch
eher unbekannte Welt der englischen Orgel eingearbeitet und sich mit
der Restaurierung der historischen amerikanischen Steere &
Turner-Orgel von 1869 für die Gemeinde St. Maternus in
Köln-Rodenkirchen international, bis in die USA, als Spezialist in
dem neuen Geschäftsfeld etabliert.

Die positiven Auswirkungen der Krise

Innovativ ist Orgelbau Schulte nicht nur in Sachen Design,
Materialwahl oder bei der grundlegenden Konzepterstellung. Zu einer
Säule des Betriebes wurde laut Oliver Schulte die Nutzung der
sozialen Medien: „Facebook ist unsere Kommuni-
kationsplattform in die internationale Orgelwelt. 5000 Kontakte zu
Orgelsachverständigen und -begeisterten in aller Welt eröffnen uns
neue Horizonte. Mittlerweile können wir aus einem reichhaltigen
Bestand von rund 30 bis 40 gebrauchten Instrumenten aus England
schöpfen, hinzu kommen noch die USA.“

So kann Schulte heute den schweren Zeiten etwas Gutes abgewinnen, neue
Wege sorgten für internationale Anerkennung als Spezialist im Umgang
mit anglo-amerikanische Instrumenten einerseits und zeitgenössischen
Orgeldesigns andererseits.
Ein weiterer Höhepunkt ist die Nominierung zum German Design Award
2018 der Schulte-Orgel in St. Petri, Dortmund.
 

- Gabriele Wisskirchen

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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