Verkaufsgespräche im Wohnzimmer
Petersburger Powerpoint

Powerpoint trifft auf klassische Malerei. Bereits zum zweiten Mal hatte Klaus Lennartz zu einem sogenannten Pitch in sein Wohnzimmer eingeladen. Zwei junge Unternehmensgründer versuchen, die Zuhörer von ihrer Geschäfstidee zu überzeugen. | Foto: dru
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  • Powerpoint trifft auf klassische Malerei. Bereits zum zweiten Mal hatte Klaus Lennartz zu einem sogenannten Pitch in sein Wohnzimmer eingeladen. Zwei junge Unternehmensgründer versuchen, die Zuhörer von ihrer Geschäfstidee zu überzeugen.
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Region - Wenn junge Leute ihre Geschäftsidee an den Mann bringen möchten,
dann müssen sie mit ihren „start ups“ zum „Pitch“ antreten,
nachdem sie am besten vorher noch die „Pitching Masterclass“ von
Vidar Andersen besucht haben. Dabei lernen sie dann, wie so eine
Präsentation auszusehen hat: Digital natürlich, und - in einer
globalen Wirtschaftswelt - vorgetragen in einer seltsamen Mischung von
Begriffen aus verschiedenen Sprachen. Bei „Fu**ing Bull**it“ muss
man nicht einmal mehr die Begriffe komplett ausschreiben.
Offensichtlich weiß die Pitcher-Szene an dieser Stelle Bescheid.

Bizarre Atmosphäre zwischen Plüschsofas und Petersburger
Hängung

Dienstagabend, Hürth: Klaus Lennartz hat in sein Privathaus
eingeladen. Marmorboden, antiquarisches Mobiliar, französiche
Rotweine - nur die wenigsten vom Discounter - liegen auf  kleinen
Beistelltischen, stoffbezogene Sofas und ein plüschiger
Schaukelsessel sind an den Rand des Raumes gerückt. Die Wände
hängen voller Kunst. Lennartz und seine Frau Elke bevorzugen ganz
offensichtlich die „Petersburger Hängung“. An diesem Abend muss
ein besonders großformatiges Gemälde seinen Platz an der
Wohnzimmerwand allerdings räumen.
Pitchtrainer Andersen und neun junge Firmengründer brauchen
Projektionsfläche für ihre Powerpoint-Präsentation inmitten der
Petersburger Hängung.
Als hätten sie sich abgesprochen, tragen sie (fast) alle weiße
Oberhemden und dunkle Hosen - zumeist Bluejeans. Das Schuhwerk
differiert: dunkles Business-Modell bei den Einen, andere kommen ganz
hip(hop) im aktuellen Modell eines Sportartikelherstellers.

Die Szene wirkt ein wenig bizzar: Während die jungen Firmengründer
ihre für diesen Abend auf fünf Minuten reduzierten Geschäftsmodelle
erläutern und dabei Charts im Schnelldurchlauf an die weiße Wand
werfen, sitzen ihnen - bei allen Respekt - vornehmlich Herren, die
längst ihre zweite Lebenshäfte erreicht haben, in dunklen Anzügen
gegenüber und hören andächtig zu.
Wer den an diesem Abend eingeladenen Gästen genauer ins Gesicht
guckt, wird bei Manchem auf ungläubiges Staunen stoßen. Es scheint,
als kämen Vortragende und Zuhörer aus Parallelwelten, die kaum
zusammenpassen und deshalb wohl auch nicht zusammenfinden.

Hoffen auf den Geldgeber

Für die jungen Firmengründer wäre das fatal. Denn eigentlich sind
sie zum Verkaufsgespräch nach Hürth-Stotzheim gekommen. Manche aus
Köln, einige auch von weiterher. Zum Beispiel aus Frankfurt oder
Santa Monica. Alle auf der Suche nach möglichst finanzstarken
Investoren, die wie sie selbst an das präsentierte Geschäftsmodell
glauben.
Eine junge Dame, deutlich sichtbar an Händen und Füßen tätowiert,
erklärt „Mieten zum neuen Kaufen“ und weiß aus ihren bisherigen
Jobs in der Modebranche, was Frauen wirklich wollen: Möglichst teure
Designerhandtaschen tragen - das sei die Erfüllung aller
Frauenwünsche erklärt die junge Frau den staunenden Herren. Denen,
die an dieser Stelle ängstlich nach Brieftasche oder Kreditkarte
nästeln, mag ihre Geschäftsidee gefallen: Online-Ausleihe statt
kaufen und wenn es sein soll, gleich auch als Flatrate-Angebot.
Ebenfalls im Angebot: Eine Plattform, die Jungunternehmern den Weg zum
örtlichen Kreditinstitut erspart, indem sie Darlehn vermittelt. Oder
die vielbeachtete Idee, personalisierte Hautpflegemittel zu
produzieren. Lennartz ist davon so begeistert, dass er gleich einen
ihm bekannten Unternehmer aus dem Rhein-Erft-Kreis kontaktiert um von
dieser bahnbrechenden Geschäftsidee zu berichten.
Vier der neun Pitcher haben es am Dienstagabend aus dem
Lennartz‘schen Wohnzimmer heraus in die nächste Runde geschafft:
Sie dürfen am Montagabend beim großen Rheinland-Pitch des Hürther
Unternehemers Dr. Lorenz Gräf noch einmal ran. Bis zu 100 potenzielle
Investoren sollen dann im Auditorium sitzen.

Powerpoint trifft auf klassische Malerei. Bereits zum zweiten Mal hatte Klaus Lennartz zu einem sogenannten Pitch in sein Wohnzimmer eingeladen. Zwei junge Unternehmensgründer versuchen, die Zuhörer von ihrer Geschäfstidee zu überzeugen. | Foto: dru
Die Zeiten, da Hausgerätehersteller werbewirksam verkündeten, sie wüssten, was Frauen wünschen sind vorbei: Frauen wollen teure Designerhandtaschen tragen, die sie sich eigentlich gar nicht leisten können: „Mieten statt Kaufen“ propagiert diese junge Unternehmensgründerin, die allerdings noch nicht „gelauncht“ hat, weil sie es sich nicht leisten kann. Sie sucht noch jemanden, der ihr das nötige Geld leiht, oder vermietet, oder schenkt, oder... | Foto: Foto: dru
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