Ganz dreiste Masche
Betrügerbanden geben sich am Telefon als Polizeibeamte aus

So sieht ein echter Polizeiausweis aus. Betrüger zeigen oft gefälschte Ausweise vor. | Foto: Zumbusch
  • So sieht ein echter Polizeiausweis aus. Betrüger zeigen oft gefälschte Ausweise vor.
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Rhein-Sieg-Kreis - Die 110 ist die Telefonnummer für den Polizeinotruf. So kennt es
jeder Bürger. Werden allerdings Bürger von dieser Nummer aus
angerufen, hat das rein gar nichts mit polizeilichen Ermittlungen zu
tun. Dahinter steckt eine Betrugsmasche der ganz besonders
unverfrorenen Art. Opfer sind immer Senioren. Die Anrufer geben sich
als Polizeibeamte aus und beginnen, auf die Angerufenen einzureden und
sie auszufragen. Es seien Diebesbanden unterwegs, die es auf das
Vermögen und die Wertgegenstände der Senioren abgesehen hätten,
heißt es. Die Senioren müssten unbedingt ihre Wertsachen und ihr
Geld in Sicherheit bringen, da sie bereits ausgespäht worden wären
als potentielle Opfer. In Kürze, wenn nicht schon in den nächsten
Tagen, würden die Gauner zuschlagen. Da sei Eile geboten, so die
eindringliche Warnung, die die aufgeschreckten Senioren am anderen
Ende der Leitung zu hören bekämen. In Sicherheit bringen bedeutet:
Die Senioren werden angehalten, ihre Wertsachen in Taschen oder Tüten
zu packen und in der Nähe ihres Wohnortes an mit den vermeintlichen
Polizeibeamten abgesprochenen Orten, etwa in der Nähe von Mülltonnen
oder unter Autos, abzustellen. Die „Polizei“ würde dann die
Wertsachen abholen und in Sicherheit bringen. Die Beamten kämen in
zivil und es sei unbedingt darauf zu achten, diese nicht anzusprechen.
Dann nämlich würden die potentiellen Gauner Verdacht schöpfen,
sollten sie sich in der Nähe zum ausspionieren aufhalten.

Die Betrugsmasche ist stark auf dem Vormarsch. Offensichtlich lohnt
sich das „Geschäft“, denn die angerufenen Senioren werden so
massiv unter Druck gesetzt, dass sie oft völlig verstört den
Anweisungen der vermeintlichen Polizeibeamten Folge leisten. In
Zahlen: Im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Ramersdorf
wurden im vergangenen Jahr bereits rund 750 Anrufe registriert, die
gezielt die Angst der älteren Mitbürger im Visier haben. Die
Dunkelziffer läge wahrscheinlich wesentlich höher, vermutet
Polizeisprecher Robert Scholten. Viele Anrufe verteilten sich auf die
Bonner Innenstadt, aber auch Bad Honnef oder Königswinter sind
betroffen. „Ganze Straßenzüge werden abtelefoniert“, erklärte
Helene Fuhrmann, ehemalige Polizeibeamtin und heute aktiv als
ehrenamtliche Seniorenberaterin des Kriminalkommissariats
Kriminalprävention/Opferschutz im Themenbereich Sicherheit. „Bis zu
70 Mal würden die Senioren an einem Wochenende angerufen und immer
wieder mit Anweisungen drangsaliert. Die Angerufenen seien dann oft so
mürbe, dass sie alle Instruktionen ausführten. Hinzu käme, dass die
Senioren zur Verschwiegenheit verpflichtet würden. Auf keinen Fall
dürften sie Verwandten, Freunden oder Nachbarn davon erzählen. Es
könnte ja jemand weiter erzählen und die Täter könnten davon
„Wind“ bekommen und gewarnt sein.

Helene Fuhrmann ist eine von einem guten Dutzend Ehrenamtlern, die
unter dem Motto „Senioren für Senioren“ auf Initiative der
Polizei Bonn unterwegs sind, um Senioren aufzuklären und vor der
dreisten Masche zu warnen. Die Ehrenamtler sind meist ehemalige
Polizeibeamte, kommen aber auch aus anderen Bereichen. Sie gehen in
die Gemeinden, halten Vorträge, zeigen Aufklärungsfilme und kommen
mit den Menschen vor Ort ins Gespräch. Die berenteten Ehrenamtler
stehen der Seniorengeneration näher als jüngere Mitbürger. Das
sorge für mehr Offenheit für die Thematik, so Fuhrmann.

Die Methoden der Gauner sind vielfältig, erfahren die Senioren etwa
in einem Vortrag. Die seit längerem bekannte Enkeltrick-Masche, bei
der sich Anrufer als Enkel ausgäben, sei nahezu überholt. Viel
wirkungsvoller sei eben jene Methode, sich als Beamter im
Sicherheitswesen auszugeben. Die Nachforschungen der Polizei darüber,
wer hinter den Anrufen stecke, habe die Ermittler in den meisten
Fällen in die Türkei geführt. Dort habe sich ein regelrechter
Callcenter-Ring entwickelt. Offensichtlich arbeiten die Täter mit
großem Erfolg, denn die Zahlen der Delikte seien dramatisch
gestiegen. Die Anrufer scheuten sich auch nicht davor, Bankangestellte
in Verruf zu bringen. So würde den Senioren glaubhaft gemacht, dem
Bankpersonal sei nicht zu trauen und das gesparte Vermögen solle
besser abgehoben oder aus den Schließfächern geholt werden, um es in
die Obhut der (falschen) Sicherheitsbeamten zu geben.

Wie kommt es dazu, dass den Betrügern Glauben geschenkt wird? Die
Senioren gehörten noch einer Generation an, erläutert Helene
Fuhrmann, denen eingetrichtert worden sei, der Polizei gegenüber mit
Respekt und Achtung zu begegnen. Im Gegenzug könne man den Beamten
bedingungslos vertrauen. Der demographische Wandel spiele den Tätern
in die Hände. Die Menschen werden im älter, die Opfer demnach
zahlreicher. In den Telefonbücher seien die älteren Mitbürger mit
Nach- und Vornamen eingetragen. Altmodisch klingende Vornamen deuteten
zielsicher auf ältere Mitbürger hin und erleichtere den Anrufern den
„Zugriff“. In vielen Fällen sei es zum „Vollzug“ gekommen,
das heißt, die Angerufenen hätten tatsächlich ihr Vermögen den
Tätern überlassen und das nicht selten im sechsstelligen Bereich.
„Die Senioren geben ihr ganzes Vermögen weg“, so Fuhrmann. Viele
haben ihre Häuser verkauft und somit beträchtliche Summen auf „der
hohen Kante“. Damit solle eigentlich das Alter finanziert oder den
Nachkommen Vermögen überlassen werden.

Derzeit startet die Polizei eine Infokampagne und verteilt
Informationsblätter zum Thema Seniorensicherheit. Mit Verhaltenstipps
versucht die Polizei zu helfen. „Die Polizei ruft Sie NIEMALS unter
110 an“, heißt es da. Um an die 110 als Anrufer zu gelangen, gibt
es Apps, die die Gauner sich herunterladen. Damit können sie jede
Nummer anzeigen lassen. „Informieren Sie die Polizei unter 110 über
den Anruf“, heißt es weiter. „Erstatten Sie immer Anzeige, falls
Sie Opfer geworden sind. Nur dann kann die Polizei handeln“,
appelliert die Polizei.

Auf der Internetseite
www.polizei-beratung.de
des Programms Polizeiliche Kriminalprävention gibt es wertvolle
Tipps. Ansprechpartner der Polizei sind über folgende Kontaktdaten zu
erreichen: Polizeipräsidium Bonn, Kriminalkommissariat
Kriminalprävention/Opferschutz, Königswinterer Straße 500, 53227
Bonn, Telefon: 0228-157676, Fax: 0228-151230.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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