Alptraum 50 Meter
Zahlreiche Eltern fahren ihre Sprösslinge bis zum Schultor

Vor der Grundschule in Siegburg-Wolsdorf halten die Eltern immer wieder im absoluten Halteverbot. Wendemanöver sorgen oftmals für brenzlige Situationen. | Foto: Woiciech
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  • Vor der Grundschule in Siegburg-Wolsdorf halten die Eltern immer wieder im absoluten Halteverbot. Wendemanöver sorgen oftmals für brenzlige Situationen.
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Rhein-Sieg-Kreis - Morgens, Viertel vor Acht, kurz vor Beginn des Unterrichts, ist das
Bild auf den Straßen im Bereich des Schulgebäudes stets ähnlich.
Eltern halten mit ihren SUVs vor der Grundschule in Siegburg-Wolsdorf
und lassen dort ihre Kinder raus, damit sie nur noch wenige Meter bis
zum Eingang zu laufen brauchen. Oftmals nehmen sie ihre Sprösslinge
dann noch an die Hand und begleiten sie bis zum Tor, bevor sie wieder
einsteigen und weiterfahren. Der Haken an der Sache ist, entlang der
gesamten Front ist absolutes Halteverbot, von 7 bis 16 Uhr.

Werden die Eltern gefragt, warum sie sich nicht an die Verkehrsregeln
halten, fallen immer die gleichen Antworten: „Zu spät“, „Keine
Zeit“ oder „Der Schulranzen ist zu schwer“. Kaum jemand macht
sich Gedanken über eine Situation, in der schnell Unfälle passieren.
Denn hier sind nicht nur Kinder zu Fuß, sondern auch auf dem Rad
unterwegs. Halten, Parken und hektisches Rangieren führen ruckzuck zu
einem Unglück.
„Ganz egal, was der Grund ist, es hat oft mit einem schlechten
Zeitmanagement zu tun“, erläutern die Polizisten Guido Hoffmann und
Gerd Zöller, die sich als Verkehrssicherheitsberater täglich mit den
Themen auseinander setzen müssen. Dass man schnell von
„Helikopter-Eltern“ spricht, die ihren Kindern alles abnehmen und
ihnen nichts zutrauen, ist letztendlich kein Wunder. Für viele
Menschen entwickelt es sich zu einem Alptraum, obwohl nur 50 Meter bis
zur Schule zu laufen sind. Dabei werden anstehende Wege oft trainiert.

„Wenn wir so was veranstalten, nehmen wir die Kinder keinesfalls an
die Hand. Es vermittelt ihnen das Gefühl, dass der Erwachsene alles
für sie lenkt“. Das Problem ist überall dasselbe. Man vermeidet,
dass der Nachwuchs die Chance erhält, seine Erfahrungen selbst zu
machen. „Früher haben wir Informationsabende durchgeführt, doch
die waren schlecht besucht. Deshalb probieren wir es bereits an den
Elterninformationsabenden zu Beginn der Jahrgänge“, so Guido
Hoffmann. Mit Flyern zur „Schulwegsicherung“ möchte man die
beratungsresistenten Eltern erreichen. Dabei stehen außerdem
Schulwegpläne zur Verfügung, die von den Kommunen mit der Polizei
entwickelt wurden. Des Weiteren finden hier empfohlene Strecken
Eingang, die jeder mit den Schülern einüben kann. In Siegburg sind
sogar entsprechende Haltepunkte angeben, sollten die Eltern wirklich
mit dem Auto anfahren.

Sicherlich gibt es auch andere Optionen, um den Verkehr an den Schulen
gering zu halten. In Sankt Augustin-Meindorf etwa richtete die Stadt
eine Hol- und Bringzone in der Nähe der katholischen Grundschule ein.
Von 7.30 bis 8 Uhr besteht ein eingeschränktes Halteverbot im Bereich
von drei Parkplätzen, auf jeder Seite. Zu guter Letzt folgen die
Schüler dann den gelben Fußspuren in Richtung Schule. Eine
Straßenquerung und eine Ampel sind allerdings noch zu bewältigen.
Diese 400 Meter werden von Verkehrssicherheitsberaterin Karin
Feuerstake mit den Sprösslingen ebenfalls trainiert. „Es reicht
aber nicht aus, wenn ich das nur mache. Die Eltern müssen sich dafür
Zeit nehmen“.

Eine weitere Alternative wäre ein „Walking Bus“, der zurzeit an
der Sankt Augustiner Schule am Pleiser Wald in der Planung ist. Die
Idee stammt aus Großbritannien und ist nichts anderes als eine
Buslinie auf Beinen. Feste Zeiten und Haltestellen regeln die
Abholung. Ein kleines Team startet, klappert alle Anlaufpunkte ab,
sodass im Endeffekt die angewachsene Gruppe sicher bei der Schule
ankommt. Mittags geht die „Tour“ umgekehrt zurück. Das Gelingen
hängt hier gleichfalls vom Engagement der Eltern und Schulen ab. Denn
die Clique, die morgens gemeinsam auf dem Weg zur Schule ist, soll
nicht alleine Laufen, sondern durch großes „Personal“ geleitet
werden. Neben der Selbständigkeit und den eigenen Erfahrungen im
Straßenverkehr erweist sich vor allem auch die Bewegung sowie die
soziale Komponente als maßgeblich. Die Kinder verabreden sich zum
gemeinsamen Schulweg, sind an der frischen Luft, tauschen sich aus und
festigen ihre Freundschaften. Außerdem lernen sie,
Gefahrensituationen zu erkennen und sorgen für eine Entlastung der
Umwelt.

Also - liebe „Helikopter-Eltern“, traut eurem Nachwuchs einfach
mehr zu und nehmt ihnen nicht immer alles ab. Geht es nicht darum, sie
optimal auf das Leben vorzubereiten, damit sie eines Tages
eigenständig den Alltag bewältigen?

- Dirk Woiciech

Vor der Grundschule in Siegburg-Wolsdorf halten die Eltern immer wieder im absoluten Halteverbot. Wendemanöver sorgen oftmals für brenzlige Situationen. | Foto: Woiciech
In Sankt Augustin-Meindorf wurde eine Hol- und Bringzone eingerichtet, die die Eltern auch regelmäßig nutzen. | Foto: Woiciech
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