In drei Jahren fast 40 Millionen erbeutet
Trickbetrug an unseren Senioren

Wenn die Täter nicht anrufen, stehen sie vor der Türe: Es gab einen Rohrbruch, oder irgendwas an den Telefonleitungen. Man müsse zusammen nachschauen gehen. Dann wird die Türe heimlich aufgelassen, ein zweiter Täter kommt unbemerkt rein und durchwühlt die Schränke nach Wertsachen. | Foto: Montserrat Manke
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  • Wenn die Täter nicht anrufen, stehen sie vor der Türe: Es gab einen Rohrbruch, oder irgendwas an den Telefonleitungen. Man müsse zusammen nachschauen gehen. Dann wird die Türe heimlich aufgelassen, ein zweiter Täter kommt unbemerkt rein und durchwühlt die Schränke nach Wertsachen.
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Rhein-Erft-Kreis - „SäM“ ist die Abkürzung für „Straftaten zum Nachteil älterer
Menschen“ und hinter diesen amtsdeutschen Begriff verstecken sich
menschenverachtende Betrugsmaschen zu Lasten unserer „Best Ager“,
die mittlerweile ein riesiges Volumen an ergaunerten Geldern erreicht
haben – zwischen 2017 und 2019 waren es landesweit Schätzungen
zufolge 39 Millionen Euro.

Falsche Enkel, Amtsträger, Bankmitarbeiter oder Ärzte melden sich
telefonisch bei ihren Opfern und gaukeln eine Notsituation vor, in der
dringend Geld benötigt wird. Dabei setzen die Verbrecher vor allem
auf eins: Die Einsamkeit unserer Seniorinnen und Senioren.

Enkel und Kinder kommen selten, der Alltag ist geprägt vom alleine
sein. Wenn dann plötzlich das Telefon schellt, und sich jemand als
Enkel, Nichte oder Neffe ausgibt, der oder die eine schlimme Notlage
hat, ist der Schreck und die Bereitschaft zu helfen, groß.

Die redegewandten Täter suchen sich ihre Opfer mittels Telefonbuch
von privaten Callcentern aus – zumeist - der Türkei oder Polen aus,
besonders beliebt sind altdeutsche Vornamen wie „Hildegard“,
„Gertrud“, „Wilhelm“ oder „Hugo“.

Dann geht es los: Oft ist es ein Verwandter in einer Notlage, wobei
zunächst einmal mit einem „Ich bin’s“ abgeklopft wird, wer man
denn ist: „Dein Enkel, erkennst Du mich denn nicht?“. Zweifelt der
Angerufene an der Stimme, ist schnell eine Erklärung parat: „Ich
bin erkältet“, oder ganz aktuell: „Ich habe Corona“.

Es folgt der Notfall, für den akut und dringend Bargeld gebraucht
wird. Ein Autounfall, bei dem man den Führerschein verlieren würde,
ein Krankenhausaufenthalt, den man ohne ein teures Medikament nicht
überlebe.

Besonders mies: Hat ein Senior die Masche erkannt, und legt auf, geht
wenige Sekunden später wieder das Telefon, diesmal mit der Kennung
„110“ oder sogar der örtlichen Wache. Dann geben sich die Täter
als Polizisten vom Landeskriminalamt, einem Betrugsdezernat oder
gleich als Staatsanwalt aus. Man ermittle gegen eine Bande von
Telefonbetrügern, höre die Telefonate ab, darunter auch das eben
geführte. Nun sei man in der Lage, die Verbrecher zu schnappen, aber
der Senior müsse mithelfen, und zum Schein auf die angebliche Notlage
eingehen.

Oder aber der Weg geht andersherum und es ist gleich die Polizei, die
sich meldet, wieder mit der 110 auf dem Display.

Auch dann wird eine Ermittlung vorgegaukelt, in deren Fokus das Opfer
stehe: Man solle ausgeraubt werden und zum Beweis werden den Senioren
gefälschte Telefonmitschnitte vorgespielt, wo der Name des Opfers
genannt wird. Präventiv wird gerne die Bank, bei der das Opfer sein
Geld hat, als Mitschuldige genannt, welche mit der Mafia zusammen
arbeite.

Deswegen soll man Geld abheben, da es entweder dort nicht mehr sicher
sei, oder aber Falschgeld. Und die abgehobenen Euros muss die
„Polizei“ natürlich sichern, um es entweder zu schützen oder auf
Echtheit zu prüfen.

Oftmals werden die Opfer über Tage und Wochen mürbe gemacht, mit
gezielten stundenlangen Telefonaten, bei denen hin und her verbunden
wird – im Krankenhaus zum Beispiel zu verschiedenen Ärzten, bei den
Polizei von Ermittler zu Ermittler und immer wieder gerne mit dem ach
so seriösen Staatsanwalt.

„Ältere Menschen haben gleich ein Hörigkeitsgefühl, wenn der
Staatsanwalt oder die Polizei anruft“, sagt Heinz Schmickler von der
Kriminalprävention. Der Kriminalhauptkommissar weiß, wovon er
spricht, denn er ist im Dialog mit den Betroffenen. Diese sind
typischerweise nicht immer reich, aber einsam.

Die Gelder, die so abgezockt werden, reichen von einigen tausend Euro
bis hin zu Summen im sechsstelligen Bereich: „Die Betroffenen
beleihen ihr Haus und geben den Tätern den Kredit“, sagt
Schmickler, der Informationsveranstaltungen zu dem Thema in Kommunen
durchführt, aber auch Einzelberatungen.

Doch nicht nur am Telefon lauert die Gefahr, sondern gleich an der
Haustüre: Erst letzte Woche Freitag wurde ein 83-Jähriger in
Wesseling von einem angeblichen Wasserwerker aufgesucht, der mit dem
Mann ins Bad ging, ihn dort Wasser laufen ließ, einen
Badezimmerschrank so stellte, dass der Mann nicht mehr aus dem Bad
kam, und sich drauf setzte. Derweil nahm der Betroffene eine zweiten
Mann war, der in die Wohnung kam. Ob und was gestohlen wurde, steht
noch nicht fest.

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen stellen eine uralte
Deliktsform dar, die mit den falschen Messer- und Scherenschleifern
begann, um die Jahrtausendwende kam der „Enkeltrick“ hinzu und
mittlerweile sind es immer häufiger die falschen Polizisten, die dank
spezieller Software mit der „110“ anbimmeln.

Im Jahre 2020 verzeichnet die NRW-Kriminalstatistik 2621 bekannt
gewordene Fälle, aber dabei handelt es sich nur um Straftaten die
komplett im Inland verübt worden waren, Anrufe aus dem Ausland –
die ja das Groß darstellen – sind darin nicht enthalten. 533 Fälle
konnten aufgeklärt werden.

Für den Rhein-Erft-Kreis liegt der Redaktion eine
„Auslandstatistik“ vor. 2020 wurden 690 Fälle registriert, 682
mal kam es zu Betrugsversuchen.

Von Januar bis Ende Mai diesen Jahres liegt der Anteil vollendeter
Straftaten zum Nachteil älterer Menschen bei 350.

Aber was können können unsere Senioren tun, um sich diesen Angriffen
zu entziehen?

Eigentlich ist es ganz einfach: „Gleich auflegen und die Türe
bleibt zu“, sagt Schmickler. Ist man schon am Telefon, soll man
keine Namen nennen, von Enkeln oder Nichten. Wird nach Geld gefragt,
einfach auflegen. Und spätestens, wenn man zur Verschwiegenheit
aufgefordert wird, sollten alle Antennen hochgehen, so Schmickler.

Man soll sich auch nicht scheuen, bei der echten Polizei nachzufragen,
und die 110 selber wählen, oder wenn der Gauner schon an der Türe
steht, beim Vermieter, beim Wasserwerk anrufen, ob es wirklich einen
Auftrag zum Ablesen, einen Rohrbruch oder was auch immer gegeben hat.

Viel tun können auch die Angehörigen, indem sie regelmäßig über
die Betrugsmasche aufklären, oder bei der Bank eine Benachrichtigung
vereinbaren, wenn größere Summen abgehoben werden.

Sinnvoll sind darüber hinaus seniorengerechte Telefonfilter, die man
einfach über eine Suchmaschine findet, oder welche direkt in der
Telefonanlage enthalten sind. Dazu kommt, dass man keine größeren
Summen an Bargeld und Wertsachen zuhause aufbewahren soll und
schlussendlich soll man den Eintrag im Telefonbuch löschen lassen.

Weitere Informationen:

www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/betrug/

polizei.nrw/kriminalitaet-9

rhein-erft-kreis.polizei.nrw/kriminalitaet-22

oder telefonisch beim Kriminalkommissariat
Kriminalprävention/Opferschutz unter 02233 520.

Wenn die Täter nicht anrufen, stehen sie vor der Türe: Es gab einen Rohrbruch, oder irgendwas an den Telefonleitungen. Man müsse zusammen nachschauen gehen. Dann wird die Türe heimlich aufgelassen, ein zweiter Täter kommt unbemerkt rein und durchwühlt die Schränke nach Wertsachen. | Foto: Montserrat Manke
Auch die Kreissparkasse Köln reagiert auf die steigenden Deliktzahlen, sensibilisiert stetig die Mitarbeiter und hat in Kooperation mit der Polizei bedruckte Geldausgabeumschläge entwickelt. Darauf sind folgende fünf Fragen vermerkt: „Haben Sie den Geldbetrag abgehoben, weil Sie telefonisch dazu aufgefordert wurden?“; „Hat sich der Anrufer als Polizist, Staatsanwalt, Richter, Notar, Arzt oder Angehöriger ausgegeben?“; „Sollen Sie das Geld zeitnah – am besten noch heute – unbekannten Dritten übergeben oder an einem Ort zur Abholung bereitlegen?“, „Hat der Anrufer Ihnen verboten, über den wahren Zweck der Abhebung zu sprechen?“ und „Sollen Sie einen Geldbetrag überweisen oder eine Geldwertkarte kaufen?“. Die Umschläge wurden von Rita Markus-Schmitz, Regionalvorstand Rhein-Erft der Kreissparkasse Köln und Kriminalhauptkommissar Heinz Schmickler vorgestellt. | Foto: Kreissparkasse Köln
Redakteur/in:

Montserrat Manke

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