Brexit-Folgen
Briten in Köln beantragen vermehrt die Deutsche Staatsangehörigkeit

Mary Collins wartet auf den endgültigen  Einbürgerungsbescheid. | Foto: Herrlich
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  • Mary Collins wartet auf den endgültigen  Einbürgerungsbescheid.
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Köln - (her). Wenn sich Mary Collins ihr Frühstück zubereitet, dann
kommt eine Tasse Tee auf den Tisch. Tetley´s Teabags – soviel
Heimat muss sein. Die 63-jährige lebt seit ihrem 18. Lebensjahr in
Köln, also mittlerweile seit 45 Jahren, ist mit einem Deutschen
verheiratet. Beide haben einen 29-jährigen Sohn.

Sie spricht beinahe akzentfrei Deutsch. „Die erste Tasse ist Tee,
danach kommt Kaffee“. Bislang lebte die in Port Glasgow in
Schottland geborene Mitarbeiterin der Carl-Duisberg-Gesellschaft
sorgenfrei als Britische Staatsbürgerin in Köln; mit allen
Vorteilen, die EU-Bürger in Deutschland genießen. Vor allem die
uneingeschränkte Reisefreiheit, unbefristetes Aufenthaltsrecht und
Arbeitserlaubnis. Damit, war ihre Sorge, könnte es unter Umständen
bald vorbei sein. Der Brexit schwebt wie ein Damoklesschwert über den
etwa 105.000 in Deutschland lebenden Britischen Staatsbürgern.

„Wenn es zum No Deal-Ausstieg kommen sollte,  müsste ich
schlimmstenfalls in  regelmäßigen Abständen eine
Aufenthaltsgenehmigung beantragen und an den inner-europäischen
Grenzen zusammen mit dem Britischen Pass ein Visa hervorkramen“. Das
fand  Mary Collins zu viel des Guten. Am 29. Februar 2019 hat sie
deswegen die Konsequenz gezogen und die duale Staatsbürgerschaft
beantragt. Den Einbürgerungstest mit 33 Fragen hat sie mit Bravour
gemeistert – 30 richtige Antworten. Jetzt wartet sie auf den
Bescheid, der ihr den bislang genossenen Status Quo auf Lebenszeit
garantiert.

Wie auch immer die schwierigen – und turbulenten – Verhandlungen
zwischen Regierung und Parlament in London auf der einen Seite und den
EU-Mitgliedsstaaten auf der anderen ausgehen werden, eines scheint
sicher: An einem ungebremsten Fall der in Deutschland lebenden Briten
aus ihrer bisherigen häuslichen und beruflichen Situation ist
niemandem gelegen. Kommt der geregelte Ausstieg, gilt eine
Übergangsfrist bis 31. Dezember 2020. Zeit, um entsprechende Anträge
einzureichen. Aber selbst  im Falle des ungeregelten Austrittes
Großbritanniens  aus der EU, so erklärt das Bundesministerium des
Inneren, für Bau und Heimat (BMI) auf einer eigens eingerichteten
Informationsplattform für Britische Staatbürger, muss „kein
Britischer Staatsbürger  sofort aus Deutschland ausreisen“. 

Informationsseiten dieser Art mit etwa gleichlautendem Text  haben
alle größeren Städte auf ihren Webseiten eingerichtet. Eine
Übergangsfrist von drei Monaten soll Britischen Bürgern die
Gelegenheit geben, die entsprechen Anträge auf Aufenthalts- und
Arbeitsgenehmigung  einzureichen oder gleich die Einbürgerung zu
beantragen. 155 Briten wurden allein  in Köln 2018 eingebürgert.
Und die Tendenz ist steigend.
Eine davon ist Sara Taylor; in Abwesenheit von Firmengründer
Alexander McWhinney stellevertretende Geschäftsführerin des
„English Shop“ . Hier kauft Mary Collins ihre Tetley´s  Teabags
– und noch einiges mehr, das ein Stück Heimat verkörpert.
McWhinney und seine Mitarbeiter befürchten bei einem
„No-Deal“-Szenario - neben möglichen Preiserhöhungen durch
Einfuhrzölle, gewisse Einschränkungen im Warenverkehr. Verspätungen
bei der Anlieferung zum Beispiel. „Dann müssten unsere Kunden auf
angekündigte Waren warten“ meint Taylor. Fraglich, wie die zu 70
Prozent deutsche Kundschaft das aufnimmt. 

Ansonsten ist Sara Taylor, die wie Mary Collins Schottin ist, stolz
darauf, Deutsche zu sein. „I embrace the german citicenship!“ sagt
sie, womit laut Wörterbuch gemeint ist, dass sie die Deutsche
Staatsbürgerschaft „begeistert annimmt“.  „Ich lebe seit zehn
Jahren in Köln und habe vor, den Rest meines Lebens hier
zuzubringen“.  Da war es nur konsequent,  die Vorgänge um den
Brexit, den sie als „beschämend“ empfand, zum Anlass zu nehmen,
klare Verhältnisse zu schaffen. Mit einem nicht unerheblichen
finanziellen Aufwand: Zusammengerechnet belaufen sich die Gebühren
für den Antrag,  den Einbürgerungstest, Übersetzungen von
Lebenslauf, Urkunden, Zeugnissen bis hin zum Sprachtest auf etwa 600
bis 800 Euro. Je nachdem, welche Dokumente beschafft und eventuell
beglaubigt und übersetzt werden müssen. Kein Grund, es nicht zu tun.
Das fand auch ihre Landsmännin Mary Collins. „Meine Familie fand
schon länger, dass es mal langsam Zeit wurde. Die finden das total in
Ordnung.“

Anm. d. Red. Das eigentlich geplante Austrittsdatum 29. März ist
nach dem erzielten Kompromiss der EU-Staaten Geschichte. Aktuell
erhielten die Briten einen Aufschub des Brexits bis zum 12. April.
Sollte das britische Unterhaus dem bereits ausgehandelten
Brexit-Abkommen noch zustimmen (dies war bis Redaktionsschluß noch
nicht geschehen!), soll der Austritt am 22. Mai geregelt über die
Bühne gehen. Gelingt das nicht, kann Großbritannien bis zum 12.
April neue Vorschläge machen. 

#infobox

Mary Collins wartet auf den endgültigen  Einbürgerungsbescheid. | Foto: Herrlich
Hat bereits den Bescheid erhalten; der deutsche Pass kommt noch: Sara Taylor im „English Shop“.  Für Briten ein Stück Heimat. | Foto: Herrlich
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