Während Corona
Gleichstellungstag wurde zur digitalen Gleichstellungswoche

Dr. Dr. Rainer Broicher motiviert die Teilnehmer*innen zu einem aktiven und bewussten Leben, ob mit oder ohne Behinderung. | Foto: Julia Cürten
  • Dr. Dr. Rainer Broicher motiviert die Teilnehmer*innen zu einem aktiven und bewussten Leben, ob mit oder ohne Behinderung.
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Bonn - Nachdem er 2020 wegen Corona kurzfristig ausfallen musste, konnte
dieses Jahr am 5. Mai wieder eine Aktion zum Europäischen Protesttag
zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in Bonn stattfinden.
Statt auf dem Münsterplatz zu stehen, wurde eine digitale
Gleichstellungswoche von der Behindertengemeinschaft Bonn organisiert.

Insgesamt schätzt Marion Frohn, Geschäftsführerin der
Behindertengemeinschaft Bonn, die Teilnehmerzahlen der Woche auf 400.
„Das ist natürlich eine ganz andere Dimension als mit Infoständen
und Bühne auf dem Münsterplatz zu stehen. Die echte Begegnung und
wunderbar bunte Mischung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung
konnte dieses Jahr nur in einem kleinen Format stattfinden.“ Dennoch
freue sie sich über jede einzelne Teilnehmerin und Teilnehmer, der
oder die teils trotz digitaler Hürden mitgemacht habe, so Frohn.

Diese digitalen Hürden wurden auch im Gespräch mit der
Oberbürgermeisterin angesprochen. „Gerade sehbehinderte Menschen
wurden von der digitalen, nicht barrierefreien Kommunikation während
der Pandemie überrumpelt. Besonders Lieferdienste waren schwer
zugänglich, Essensausgaben wurden zeitweise geschlossen. Viele
Menschen, die nicht kochen konnten, wussten nicht weiter“, erklärt
der Vorsitzende der BG Bonn Sandor Krönert.

Als noch schwerwiegender stellte sich während der Pandemie allerdings
das Problem der Informationsweitergabe heraus. „Obwohl unsere
Selbsthilfegruppen größtenteils eingeschränkt wurden oder online
stattfinden mussten, hatten die Teilnehmer*innen plötzlich extrem
viele Fragen zu Corona-Regelungen oder Impfungen. An der Stelle wurden
Informationen von den Behörden aus einfach nicht transparent und
zugänglich genug gemacht“, beklagt Michael Fischell von der
Evangelischen Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn. Frohn ergänzt,
dass auch gehörlose Menschen viel mit Falschinformationen in Kontakt
gerieten, da Gebärdensprache nicht überall zugänglich war.

Oberbürgermeisterin Katja Dörner gesteht Fehler vonseiten der
Behörden während der Pandemie ein, zeigt sich aber gleichzeitig
zuversichtlich: „Barrierefreiheit ist für alle Menschen von
Vorteil. Nicht nur für Menschen mit Behinderung sondern auch
beispielsweise für Kinder mit Laufrad oder Eltern mit Kinderwagen.“
Was Kommunikation, behördliche Informationen oder politische Teilhabe
angehe, sei man im Zuge des Behindertenpolitischen Teilhabeplans
dabei, Gebärdedolmetscher*innen einzusetzen oder Informationen auch
in einfacher Sprache zu veröffentlichen, so Dörner. Es sei noch ein
langer Weg, aber viele Schritte in die richtige Richtung würden
unternommen.

Eine durchweg positive Botschaft strahlte der ebenfalls am
Europäischen Protesttag stattfindende Vortrag des
querschnittsgelähmten Mundmalers Dr. Dr. Rainer Broicher dar. Er ist
ein ehemaliger HNO-Arzt, sowie aktiver Karnevalist und FC Köln Fan,
der mit seiner Kunst nicht nur regional begeistern kann, sondern auch
Motivationsvorträge hält, um schwer betroffenen HNO-Patienten wie
Menschen ohne Kehlkopf neuen Lebensmut zu vermitteln. Seitdem er 2013
von einem Baum gefallen ist, kann Broicher nur noch seinen Kopf
bewegen. In seinem Leben trotzdem aktiv zu bleiben und sich kreativ
auszuleben, ist etwas, das der Mundmaler anderen Menschen mitgeben
möchte.

„Geduld ist die Basis für alle Aufgaben, die wir im Leben zu
bewältigen haben. Seien es kleinste Alltagssituationen oder schwere
Schicksalsschläge. Geduld ist das beste Werkzeug, das wir
besitzen“, erklärt Dr. Dr. Rainer Broicher. Auch in der
Behindertengemeinschaft Bonn hat er viele Fans und ist ein Vorbild
für gehandycapte Menschen.

Dass es noch einmal eine solche Woche gibt, kann sich Marion Frohn
vorstellen, dann aber in jedem Fall hybrid. „Mit digitalen Angeboten
erreichen wir durchaus Menschen, die es nicht zum Münsterplatz
geschafft hätten.“

Finanzielle Unterstützung erhielt die BG Bonn von Aktion Mensch, das
Programm mitgestaltet haben die Special Olympics Deutschland, die
dieses Jahr unter anderen Umständen in Bonn stattgefunden hätten,
die Evangelische Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn und der
Blinden- und Sehbehindertenverein Bonn/ Rhein Sieg. Die
Oberbürgermeisterin Katja Dörner hat die Schirmherrschaft über die
Woche übernommen und sich am Protesttag zu einem Interview
bereiterklärt.

- Julia Cürten

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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