Sommerinterview
Bürgermeister Andreas Heller nimmt Stellung

Nicht nur mit der Modernisierung der Stadtverwaltung war Andreas Heller seit seiner Amtsübernahme beschäftigt. Viele Themen stehen in Elsdorf auf der Tagesordnung.
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Zum zweiten Sommerinterview konnte die Redaktion der Werbepost den
Elsdorfer Bürgermeister Andreas Heller in den Bergheimer
Verlagsräumen begrüßen. Heller beantwortete Fragen zur
Modernisierung der Stadtverwaltung und die Möglichkeiten der weiteren
Stadtentwicklung vor dem drohenden Ende des Braunkohlenabbaus. Auch
die Unterbringung von Flüchtlingen in Elsdorf ist eines von mehreren
Themen, zu denen Heller Stellung bezieht.

Herr Heller, Sie sind angetreten, die Verwaltung in Elsdorf zu
modernisieren. Was haben Sie bisher erreicht?

Andreas Heller: Ich bin mit dem Ziel angetreten, die Verwaltung
moderner und bürgerfreundlicher zu gestalten. Ich bin stolz auf meine
Mitarbeiter, denn wir haben in den ersten eineinhalb Jahren schon viel
gemeinsam erreicht. Aber wir haben nicht nur viel in bezug auf die
Bürgerfreundlichkeit erreicht, sondern auch, was die
Arbeitnehmerfreundlichkeit angeht.
Ein Punkt war die Eröffnung des Bürgerbüros?
Andreas Heller: Das Bürgerbüro wird sehr gut angenommen als
zentrale Anlaufstelle. Es gibt teilweise bis zu 100 Anfragen pro Tag.
Wir haben eine neue Homepage gestalten lassen, die ebenfalls sehr gut
genutzt wird und sehr bürgerfreundlich ist. Die Inhalte stehen auf
einer Hauptseite und drei Microsites, wo wir Themenschwerpunkte
gesetzt haben für Wirtschaftsförderung, Kinder, Schule und Familien.
Wir haben jetzt eine Online-Terminvergabe ans Netz gebracht, die sehr
gut genutzt wird, und wir haben eine Mängelmelder App eingeführt,
die auch sehr gut angenommen wird. Das stellt uns natürlich vor die
Herausforderung, das dann auch abzuarbeiten, was die Bürger melden.
Diese Herausforderungen nehmen wir gerne an.
Haben Sie noch mehr Änderungen in der Verwaltung
eingeführt?

Andreas Heller: Wir haben die Stelle des Wirtschaftsförderers
besetzt und wir haben jetzt eine Integrationsbeauftragte. Zudem haben
wir einen Controller installiert. Ich glaube, das sind wesentliche
Schritte, die Elsdorf auf lange Sicht nach vorne bringen werden. Mein
Dank gilt dem Stadtrat, der den hierfür notwendigen Stellenplan zu
großen Teilen mitgetragen hat.
Konnten Sie auch die Mitarbeiter im Rathaus bei dem
Umgestaltungsprozess mitnehmen?

Andreas Heller:
Wir haben viel für eine arbeitnehmerfreundliche
Verwaltung getan. Es ist sehr schwierig für uns, Fachkräfte zu
gewinnen aufgrund der Tatsache, dass wir im Öffentlichen Dienst einen
Fachkräftemangel haben. Uns werden in den nächsten fünf Jahren noch
24 Mitarbeiter aus Altersgründen verlassen. Man kriegt das nicht
einfach über das Gehaltsgefüge gelöst, denn auch in der
Öffentlichen Verwaltung steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ganz groß. Das hat uns dazu veranlasst zu sagen: „Wenn jemand zu
uns kommt, dann bieten wir einen Kindergartenplatz an.“ Wir stellen
fest, dass unsere Attraktivität als Arbeitgeber dadurch gestiegen
ist. Außerdem bieten wir Heimarbeitsplätze an, und nicht zuletzt:
Wir bilden aus. Das haben wir seit vielen Jahren nicht mehr gemacht.
Fünf Auszubildende haben wir im Rathaus. Ich begrüße das sehr, dass
die Mitarbeiter diesen Prozess mitgehen und guten Einsatz zeigen.
Elsdorf arbeitet an einem neuen Einzelhandelskonzept. Welche
Schwerpunkte möchten Sie setzen?

Andreas Heller
: Das ist ein sehr weites Feld, denn das
Einzelhandelskonzept ist nur ein Baustein der Stadtentwicklung. Wie
auch andere Städte im Rhein-Erft-Kreis stellen wir großen
Siedlungsdruck aus dem Großraum Köln fest. Vor allem in Heppendorf
ist die Nachfrage nach Baugrund sehr groß. Das hat die
Stadtverwaltung dazu veranlasst, die Herausforderungen anzunehmen eine
Wachstumsstrategie zu erstellen und zu überlegen, wie wir
weitermachen in der Stadtentwicklung im Wohn- und im Gewerbebereich.
Diese Wachstumsstrategie hat der Rat auch einstimmig verabschiedet.
Dazu gehört eben auch die Frage, wie wir künftig in Elsdorf Handel
und Nahversorgung sicherstellen wollen. Ein Baustein dieses
Einzelhandelskonzepts ist eine mögliche Gestaltung eines alten
Aschenplatzes.
Sie sprechen von der Ohndorfer Straße. Da formiert sich Protest
der Bürger.

Andreas Heller:
Ich bin angetreten - und dafür bin ich gewählt
worden - mir Gedanken über die Zukunft Elsdorfs zu machen. Aufgrund
des Siedlungsdruckes kann es sich eine Stadt nicht leisten im
Stillstand zu verharren. Wir haben überdurchschnittlich alte
Sportstätten, die nicht mehr zeitgemäß sind und die in hohem Maße
sanierungsbedürftig sind. Deshalb halte ich es für dringend
erforderlich, über diese Dinge nachzudenken. Was wäre denn die
Alternative zu so einem alten Sportplatz? Den status quo zu bewahren,
halte ich nicht für den richtigen Weg. Ich halte es sogar fast für
verwerflich, darüber nicht offen nachzudenken. Wie Sie sehen, teilen
die Fachausschüsse der Politik diese Meinung.
Wie gehen Sie mit dem Protest der Bürger um?
Andreas Heller:
Ich nehme den Protest sehr ernst, allerdings
stelle ich mir unter Bürgerbeteiligung etwas Sachlicheres vor. Die
Bürgerbeteiligung läuft in diesem Projekt aktuell nach dem Motto:
Ängste schüren, Unwahrheiten verbreiten und Dinge unterstellen, die
gar nicht so sind.
Gibt es dafür Beispiele?
Andreas Heller:
Es gibt ja für den alten Aschenplatz noch kein
fertiges Konzept. Das Einzelhandelskonzept ist ein Entwurf, den wir
frühzeitig mit allen Beteiligten diskutieren wollen. Aber es gibt
noch keine feste Vorstellungen für die Fläche: Wir können über
eine Wohnbebauung nachdenken oder eine gemischte Nutzung. Es gibt
keinen fertigen Plan, aber genau das wird von den Gegnern des Projekts
postuliert. Da ist die Rede von einem monströsen Einkaufszentrum oder
davon, dass Parkplätze für das Freibad wegfallen. Das ist alles
unwahr. Aspekte wie Parkplätze, Aufenthaltsqualität oder der Erhalt
von Bäumen, sind Dinge, die in einer möglichen Planung
berücksichtigt werden sollen, denn das ist ein Standort, der
integriert ist und den wir städtebaulich gestalten möchten.
In anderen Städten, zum Beispiel in Bedburg, formieren sich
lokale Plattformen für den Online-Handel. Wie stehen Sie dazu?

Andreas Heller:
Dazu gehören natürlich immer zwei: Unternehmer,
die hieran interessiert sind, und eine Stadtverwaltung, die dies
begleitet. Wir unterstützen dieses Projekt sehr gerne zur Stärkung
unserer Unternehmer. Als Ergebnis unseres gemeinsamen
Unternehmer-Stammtisches werden wir im Oktober gemeinsam mit der in
Heppendorf ansässigen Firma Zippel Media unsere Elsdorf App
präsentieren. Hier können örtliche Firmen ihre Angebote
präsentieren. Für den Verbraucher ist die App kostenfrei. Der
spannende Unterschied zu den bisherigen Online-Marktplätzen anderer
Städte ist eine moderne Interaktion zwischen den App-Usern
untereinander als auch den Unternehmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist kürzlich überraschend klar
von der Braunkohle abgerückt. Was würde ein früheres Auslaufen des
Kohlebergbaus für Elsdorf bedeuten?

Andreas Heller:
Ich bin froh, dass das Thema Braunkohle in den
großen politischen Fokus rückt, denn das Modell funktioniert so
nicht, wie es im Moment praktiziert wird, zumindest nicht für die
betroffenen Kommunen. Es ist ein Märchen, dass wir erst ein Problem
mit dem Strukturwandel haben, wenn der Kohleausstieg beschlossen wird,
denn der Strukturwandel findet bereits statt, obwohl wir noch über
Jahrzehnte garantierte Laufzeiten für die Braunkohle haben.
Was bedeutet das?
Andreas Heller:
Strukturwandel bedeutet für uns, dass die Städte
und Kreise aus der Wirtschaft eben kein vernünftiges Auskommen
generieren. Und genau dies ist aufgrund der Gewerbesteuersituation der
bergbautreibenden Unternehmen seit einigen Jahren genau der Fall.
Deshalb freue ich mich, wenn sich Frau Merkel mit dem Thema Kohle
beschäftigt, allerdings ist die Diskussion über Ausstiegsdaten für
uns völlig obsolet, weil aus Sicht der Stadt Elsdorf der
Strukturwandel völlig losgelöst von einer Jahreszahl betrachtet
werden muss. Wir sind bereits mitten im Strukturwandel. Das begrüße
ich außerordentlich.
Haben sich nach dem Regierungswechsel in Düsseldorf die Chancen
auf Ausweisung neuer Gewerbegebiete verbessert?

Andreas Heller: Zum einen müssen die Kommunen selbst ihre
Hausaufgaben machen und sagen, an dieser Stelle können wir uns ein
neues Gewerbegebiet vorstellen. Das haben wir gemacht, in dem wir eine
Wachstumsstrategie beschlossen haben. Mit dieser Strategie diskutieren
wir auch intensiv den Regionalplanänderungsprozess bei der
Bezirksregierung. Die Bürgermeister aller zehn Kommunen im
Rhein-Erft-Kreis haben sich zusammengetan und haben ein kreisweites
Gewerbeflächenentwicklungskonzept beschlossen. Unsere Hausaufgaben
sind gemacht.
Jetzt ist also die Landesregierung am Zug?
Andreas Heller: Wir haben auch versucht uns intensiv in die
Koalitionsgespräche einzubringen. Ich habe das Gefühl, aufgrund der
Aussagen im Koalitionsvertrag ist das auch gelungen. Denn es sind
zumindest Zugeständnisse an das Rheinische Braunkohlenrevier
enthalten, was die Flächenausweisung angeht. Jetzt hoffen wir, dass
das umgesetzt wird.
Wo könnten denn in Elsdorf neue Gewerbeflächen ausgewiesen
werden?

Andreas Heller:
Viele Jahre haben wir die Entwicklung „Weg vom
Tagebau“ gehabt, solange, wie der Tagebau läuft. Der Tagebau
schreitet voran, sodass wir viele Flächen in die Wiedernutzbarkeit
bekommen. Wir haben also im Grunde die Stadtentwicklung gedreht, und
wir werden uns hin zum Tagebau entwickeln. In den Ortslagen Esch,
Angelsdorf, Elsdorf und Berrendorf, aber vor allem in Heppendorf
werden wir Wohnflächen entwickeln. Gewerbeflächen werden in der
Nähe zu den Autobahnen 61 und 4 entstehen. Aber wir werden es Stück
für Stück entwickeln und uns an der Nachfrage orientieren. Wir haben
Vorsorge getroffen, dass wir kommunale Infrastruktur refinanziert
bekommen durch ein Bodenmanagement. Zudem hat der Rat vor den
Sommerferien mehrheitlich beschlossen, eine
Stadtentwicklungsgesellschaft zu gründen. Die Grundlagen sind also
geschaffen für die weitere Stadtentwicklung.
Wie gut ist es gelungen, die Flüchtlinge, die 2015 und 2016
nach Elsdorf gekommen sind, unterzubringen?

Andreas Heller:
Grundsätzlich sind wir sehr froh, dass es im
Moment keine neuen Zuweisungen mehr gibt. Die Aufarbeitung der
Zuweisungen aus den vergangenen Monaten und Jahren erfordert immer
noch sehr viel Arbeit. Gute Integration braucht Geld, und es ist immer
noch zu wenig Geld im System.
Wieviele Flüchtlinge hat Elsdorf aufgenommen?
Andreas Heller:
Wir haben in Elsdorf 326 Menschen in 39 Objekten
untergebracht. Darunter sind 129 Personen, für die eigentlich die
Arbeitsagentur zuständig ist. Das heißt, es handelt sich um
anerkannte Asylbewerber. Diese Menschen werden von uns in stadteigenen
Immobilien untergebracht, obwohl wir das eigentlich nicht müssten,
aber der Wohnungsmarkt ist komplett zu.
Wo liegen die größten Probleme?
Andreas Heller:
Die dezentrale Unterbringung stellt uns vor große
Herausforderungen, weil es alte Objekte sind, die hohe Strom-, Gas-
und Wasserkosten mit sich bringen. Der Rat hat sich ja bewusst gegen
einen sozialen Wohnungsbau entschieden, und diese Folgekosten belasten
jetzt dauerhaft unseren Haushalt. Wir versuchen jetzt, bei alten
Objekten, die in unserem Eigentum stehen, energetische Maßnahmen zu
treffen.
Sie haben eine neue Kulturbeauftragte eingestellt. Welche
kulturelle Entwicklung für Elsdorf schwebt Ihnen vor?

Andreas Heller:
Wir versuchen, Kultur für alle Bereiche
anzubieten und haben nicht den Anspruch, Kulturhauptstadt Deutschlands
zu werden. Wir machen Kultur doch gerade von Elsdorfern für
Elsdorfer, indem wir die Vereine unterstützen und Kooperationen mit
den Vereinen eingehen, wofür ich den Vereinen sehr dankbar bin. Zudem
haben wir einen Kulturfreundeskreis gegründet mit ehrenamtlich
tätigen Menschen, die uns bei Veranstaltungen unterstützen.
Wieviele Veranstaltungen gibt es denn aktuell?
Andreas Heller
: 2016 hatten wir 25 Veranstaltungen, wie es vor
2016 aussah, wissen Sie selbst am besten. Das war sehr überschaubar.
In diesem Jahr werden es etwa 35 Veranstaltungen in Kooperation sein.
Hiermit haben wir eine vernünftige Größenordnung für unsere Stadt
erreicht, die wir langfristig halten wollen. Die Menschen nehmen das
Angebot sehr gut an und sie freuen sich darüber. Ich habe das
Gefühl, dass Elsdorf das zu schätzen weiß.

Interview: Hanno Kühn
und Georg Zingsheim

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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