Von der verlorenen Schönheit
„Für immer schön“ im Freien Werkstatt Theater

Verlaufende Lebensfarben: Kosmetikvertreterin Cookie Close (Fiona Metscher, l.) und die betrogene Vera (Nadja Düsterberg), treffen sich in einer düsteren Realität wieder. | Foto: ©MEYER ORIGINALS
  • Verlaufende Lebensfarben: Kosmetikvertreterin Cookie Close (Fiona Metscher, l.) und die betrogene Vera (Nadja Düsterberg), treffen sich in einer düsteren Realität wieder.
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Innenstadt - (ha) Hinter den Masken der Menschen lauern neue Masken. Erst mit dem
finalen Atemzug scheinen sich die wahren Gesichter der Geschöpfe zu
offenbaren. In der letzten Freies Werkstatt Theater -Premiere dieser
Spielzeit lassen sich die Figuren in Noah Haidles Tragödie „Für
immer schön“ reichlich Zeit für Leben und Sterben des größten
aller Menschheitsideale – der Schönheit. Guido Rademachers
Inszenierung wählt wohl bewusst eine nahezu zweistündige
Performance, um beim Zuschauer letzte Zweifel über die
Aussichtslosigkeit im Kampf mit der eigenen Endlichkeit zu verwischen.
Die Spuren dieses Auflehnens zeigen sich auf den Körpern und in den
verzweifelten bis ohnmächtigen Gestiken des Ensembles um Fiona
Metscher, Nadja Düsterberg, Raphaela Kiczka und Thomas Wenzel. In dem
Stück um die einst erfolgreiche Kosmetikvertreterin Cookie Close
(dargestellt von Fiona Metscher) prallen auf einer nackten Bühne
verdrängte Ängste, verlorene wie wiederbelebte Sehnsüchte und ein
falsch verstandener Überlebenswille, der keine Rücksicht auf
Selbstschonung und die Gefühle anderer nimmt, aufeinander. Cookie
zieht Jahr um Jahr ihre Runden durch ein abgestecktes Verkaufsterrain
und ersetzt wirtschaftliche Misserfolge mit Affären zu den Partnern
ihrer Kundinnen. Wichtiger als Freunde und gar die Familie ist ihr die
Begierde nach äußerlicher Makellosigkeit. Doch im Alter tritt die
vermeintliche Überlebenskünstlerin in die eisernen Fallen der
Zivilisation: Jüngere Kolleginnen machen ihr den Platz streitig,
Männer weisen die erotischen Offerten der Frau ab. Betrogene
Freundinnen wenden sich gegen sie. Auch Tochter Dawn (Nadja
Düsterberg) verlässt Cookie, deren Narzissmus und Egoismus keinen
Raum für das Kind lassen.

Parallelen zu Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ sind
in der Inszenierung nicht zu übersehen, doch „FÜR IMMER SCHÖN“
schleudert die Botschaft einer zerstörerischen und unbefriedigenden
Hast nach Erfolg sowie Anerkennung brachial wie einen Pflasterschein
in die verführerische Auslage eines Schaufensters. Der Traum von
Erfolg und Ansehen ist ausgeträumt, bevor sich das Finale auch nur
andeutet. Ein beständiges Pendeln zwischen Extrovertiertheit und
Introvertiertheit der Protagonisten, etwa in Form der dramatischen
Cookie oder ihrer hysterischen Gegenspielerin Heather (Raphaela
Kiczka) sowie dem nüchtern, leidschaftslos agierenden Liebhaber
(Thomas Wenzel) kreiert nach einer scheinbar anfänglichen
Überzeichnung der Charaktere permanente Dynamiken, die zwischen Wahn,
Fassungslosigkeit, Passion und einfacher Hinnahme des Seins
changieren. Ein tiefrotes Drama mit brillanten Darstellern, die den
Schmerz der Existenz spürbar in die Zuschauerränge wuchten. Zu sehen
ist „Für immer schön“ am 19./ 23 und 24. Mai um jeweils 20 Uhr
im Freien Werkstatt Theater (Zugweg 10)

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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