Orgel zum Weltkulturerbe ernannt
Alte Pfeifen an St. Margareta erwachen

Der Prospekt – die Schauseite – der Orgel steht. Man kann schon erahnen, wie die fertige Orgel aussehen wird. | Foto: Gast
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  • Der Prospekt – die Schauseite – der Orgel steht. Man kann schon erahnen, wie die fertige Orgel aussehen wird.
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Neunkirchen - Eine „internationale“ Orgel für St. Margareta entsteht aus
alten Einzelteilen

Beinahe mühelos schwebt eine rund vier Meter lange 16-Fuß-Pfeife auf
der Hebebühne in Richtung alter Empore, wo sie von Siegfried Merten
in Empfang genommen wird. Zu dritt tragen die Orgelbauer nun die rund
100 Kilogramm schwere Pfeife über den neuen Verbindungsweg zur
neuerrichteten Orgelempore um sie dort mit vereinten Kräften
aufzurichten und in die Windlade einzubauen. Hier sorgt sie in Zukunft
für einen der tiefen Töne in der Orgel.

Das „Jahrhundertwerk“ wie Helmut Meng, geschäftsführender
Vorsitzender des Kirchenvorstands, den Orgelneubau in St. Margareta
nennt geht der Vollendung entgegen. Die Prospektpfeifen stehen bereits
vollzählig im Gehäuse; der Anblick wirkt noch recht filigran, doch
man kann sich bereits vorstellen, wie die fertige Orgel aussehen wird.
Orgelbaumeister Siegfried Merten ist zufrieden; sein Mitarbeiter
Martin Kauert staunt: „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so leicht
aussehen würde. Jetzt hast du tatsächlich das Gefühl, dass sie
schweben würde.“

Nachdem die alte 1961 erbaute Orgel der Firma Verschueren endgültig
ihren Dienst aufgegeben hatte, dachte der Kirchenvorstand an St.
Margareta intensiv über einen möglichst kostengünstigen Ersatz
nach. Sollte es eine komplett neue oder eine gebrauchte Orgel, die
überholt und an die Neunkirchener Verhältnisse angepasst würde, ein
so genannter „technischer Neubau“, sein? Mittlerweile werden viele
ältere Orgeln, etwa aus Kirchen die geschlossen wurden, angeboten.
Die müssen dann für die neuen Gegebenheiten umgebaut werden.
Tatsächlich fand Orgelbaumeister Siegfried Merten aus Remagen,
ausgewiesener Experte im Wiederverwerten historischer Materialien mit
30 Jahren Berufserfahrung und Leidenschaft für seinen Beruf, schon
bald eine Orgel in England, die von der Orgelbaufirma Walker & Sons
1926 für die Cadbury Concert Hall in Bournville, in der Nähe von
Birmingham, gebaut worden war.

34 Register Pfeifen, ohne komplettes Gehäuse, mit vollständig
elektrischer Traktur - das heißt: die Verbindung zwischen Tasten oder
Registerzügen und Windlade wird elektrisch hergestellt. Merten
befand, das Pfeifenwerk sei solide und gut gearbeitet und klanglich
sehr reizvoll. Daraus lasse sich sehr gut ein neues Instrument bauen.
Allerdings präsentierte sich die Raumsituation in St. Margareta
grundverschieden von der des Cadbury-Konzertsaals; unter anderem
besteht die Kirche in Neunkirchen akustisch aus zwei voneinander
getrennten Raumeinheiten – dem alten romanischen Teil und dem 1916
erbauten neugotischen Anbau – die schwer von einer einzigen Orgel
gefüllt werden können. Außerdem waren die vorhandenen Emporen im
neueren Kirchenteil zu klein für eine angemessene Orgelanlage.
Kreativität war also gefragt, um eine optimale Lösung zu finden. So
entstand die Idee, zwischen den beiden vorhandenen Emporen an der
Trennwand von neogotischem Anbau und romanischem Kirchenschiff eine
neue Orgelempore zu bauen, die über einen Gang hinter der Orgel mit
den beiden älteren Emporen verbunden ist. In den Niederlanden wurde
Merten auf ein neogotisches Prospektgehäuse aufmerksam, das bei einem
Kollegen in der Garage stand und nicht gebraucht wurde. Das passte
vortrefflich zur geplanten Orgel in St. Margareta.

Ein Jahr lang arbeiteten Siegfried Merten und seine Mitarbeiter in
Remagen das Gehäuse, die Windladen und andere Holzbauteile auf,
reparierten und erneuerten beispielsweise die Elektrik – „die
stammte schließlich noch aus den 1920er Jahren, da waren
beispielsweise neue Magnete notwendig“, so der Orgelbaumeister -
restaurierten das komplette Pfeifenmaterial und erweiterten das
Pfeifenwerk auf 41 Register. Die Prospektpfeifen wurden von den
Orgelbauern in Remagen komplett neu gefertigt, 85 Prozent der übrigen
Pfeifen stammen aus England und der Rest aus der alten Neunkirchener
Orgel. So können später noch neun Register als Echowerk auf der
Orgelempore der „alten“ romanischen Kirche aufgestellt werden.

Im Laufe vieler Gespräche entschloss man sich, zur Begleitung des
Gemeindegesangs und des Kirchenchors einen zweiten Spieltisch, den
Merten in Luxemburg aufspürte, auf der Chorempore zu installieren,
den englischen Spieltisch mit Rollen mobil zu machen und unterhalb der
neuen Orgelempore im Kirchenschiff aufzustellen, von wo aus er bei
Konzerten nach vorne gefahren werden kann. Das langwierige
Baugenehmigungsverfahren und damit verbundene Auflagen der Statik und
des Brandschutzes sowie neu entdeckte Schäden am Deckengewölbe
verzögerten die Baumaßnahmen erheblich. Anfang November, nachdem die
neue Empore und ein neuer Treppenaufgang zur ersten Empore errichtet
worden und die Malerarbeiten abgeschlossen waren, konnten die
Orgelbauer endlich zu Werke gehen. Zunächst hieß es schrauben,
schrauben, schrauben. Alleine etwa 450 Schrauben wurden im Bodenrahmen
verarbeitet, damit die Orgel später sicher steht. Die Windladen für
Haupt- und Schwellwerk wurden aufgebaut, Kondukte (Rohre, die einzelne
nicht auf der Windlade stehende Pfeifen wie etwa die sichtbaren
Prospektpfeifen mit Wind versorgen) verlegt, schließlich das Gehäuse
montiert. Die Fortschritte konnten täglich verfolgt werden. Der
katholische Kindergarten kam regelmäßig vorbei um zu schauen.

Wenn die Hauptorgel auf der neuen Empore Weihnachten fertig aufgebaut
ist, verfügt sie über 1.840 Pfeifen. Die werden alle einzeln
gestimmt; das dauert etwa drei Wochen. Dann geht es ans
Großreinemachen.

Gefühlte Tonnen von Staub und Schmutz werden zu beseitigen sein,
bevor am 25. Februar der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal
Woelki die Orgel segnen und Regionalkantor Norbert Schmitz-Witter sie
zum ersten Mal spielen wird. Nach Orgelweihe und Empfang wird es
Gelegenheit geben, das neue Instrument zu besichtigen. Beispielsweise
auch vom neuen Gang hinter der Orgel aus durch zwei Glastüren, die
den Blick ins Innere freigeben. 

- Christa Gast

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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