Kuratorentagung
Das Ende des Weltkriegs und seine Folgen

Die vierte deutsch-polnische Kuratorentagung fand im Haus Schlesien statt. | Foto: Haus Schlesien
  • Die vierte deutsch-polnische Kuratorentagung fand im Haus Schlesien statt.
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Königswinter - (den) Die Jahre 1918/1919 und die ihnen folgenden waren eine Zeit des
Umbruchs in Deutschland, Europa und weltweit. Es waren
Schicksalsjahre, die die politische Landkarte Europas radikal
verändert und auf dem ganzen europäischen Kontinent Spuren
hinterlassen haben, die bis in die Gegenwart hinein wirken. Auch für
Deutschland und Polen war diese Periode mit einschneidenden
politischen und gesellschaftlichen Veränderungen verbunden, die mit
verschiedensten – zumeist in Enttäuschung endenden – Hoffnungen
verknüpft waren und nicht selten Unruhen und Gewalt mit sich
brachten.

Deutschland stand im November 1918 vor der doppelten Herausforderung,
einerseits die Kriegsfolgen und die Umsetzung der
Waffenstillstandsbedingungen bzw. des Versailler Friedensvertrags zu
bewältigen und andererseits die parlamentarische Demokratie –
vielfach gegen die Angriffe von politisch linken wie rechten
Gruppierungen – zu etablieren und somit die inneren Unruhen
einzudämmen.

Das wiedererstandene Polen, das 123 Jahren nicht als eigenständiger
Staat existierte, sah sich erheblichem innenpolitischem Druck und
außenpolitische Kontroversen in Hinblick auf die Grenzziehung
ausgesetzt. So war die Zweite Republik sogleich in zahlreiche
bewaffnete Konflikte um die Ausgestaltung und die Sicherung ihres
Staatsgebietes hineingezogen und musste ihren Platz in dem
veränderten territorialen und politischen Gefüge Europas finden.

Die Folgen für die Grenzregion Schlesien, die von den Konflikten und
Auseinandersetzungen in beiden Staaten betroffen war, war das Thema
der nunmehr vierten vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten
deutsch-polnischen Kuratorentagung im Haus Schlesien. Insgesamt 14
Kuratoren und wissenschaftliche Mitarbeiter aus deutschen und
polnischen Museen und Kultureinrichtungen waren eingeladen, ihre
Ausstellungen und Projekte vorzustellen.

Anhand dieser Beiträge konnten die unterschiedlichen Sichtweisen
beider Nationen zu diesem Thema gegenübergestellt und die Problematik
der Vermittlung dieser komplexen und vielfältigen Themenstellung
diskutiert werden. Der Blick wurde dabei durchaus über die Region
Schlesien hinaus gerichtet. Die Tagung gliederte sich in insgesamt
vier Schwerpunktthemen, die den Ersten Weltkrieg und sein Ende, die
besondere Lage in Oberschlesien, die Situation in anderen
Grenzregionen sowie die Erinnerung und Überlieferungen aus und an
diese Zeit umfassten.

Nach einer Begrüßung und der allgemeinen Einführung in die Thematik
durch die Ausstellungskuratorin, stellte Dr. Frank Mäuer die im Jahr
2015 von ihm kuratierte und im Oberschlesischen Landesmuseum
präsentierte Ausstellung „Heimat.Front - Oberschlesien und der
Erste Weltkrieg“ vor. Daran anschließend berichtete Anna Czempik
vom Oppladener Geschichtsverein über die in Zusammenarbeit mit dem
Jülicher Geschichtsverein und allen Partnerstädten Leverkusens –
Bracknell, Ljubljana Ratibor, Schwedt und Villeneuve d‘Ascq -
entstandene Ausstellung „Kriegsenden in europäischen Heimaten“
mit ihrem umfangreichen Begleitprogramm.

Darius Andruskiewicz, ebenfalls Mitglied des Oppladener
Geschichtsvereins, ging daraufhin auf das Einzelschicksals des
Soldaten Adolf Smolka und die Bedeutung von persönlichen Dokumenten
für die museale Darstellung von Geschichte ein.

Unter dem Titel „Als die Republik aus dem Krieg geboren wurde: Die
Pariser Vorortverträge und die Geschichte Schlesiens“ stellte Lilia
Antipow, Mitarbeiterin im Haus des Deutschen Ostens in München, den
Programmschwerpunkt des Hauses für das Jahr 2019 vor.

Der Direktor des oberschlesischen Museums in Beuthen erläuterte im
Anschluss das Konzept der Ausstellung „100x100 Unser Jahrhundert“,
die 100 Objekte aus dem Museumsbestand präsentiert, die Geschichte
und Geschichten der vergangenen 100 Jahre erzählen.Den zweite
Themenblock leitete Dr. Vasco Kretschmann, Kulturreferent für
Oberschlesien mit seinem Bericht über die Podiumsdiskussion zum Thema
„Grenz- und Minderheitenpolitik nach 1918“ ein. Mit den
Auswirkungen der Teilung Oberschlesiens auf das Verkehrswesen befasste
sich der Vortrag von Dawid Keller aus dem Schlesischen Museum
Kattowitz. Der folgende Vortrag des Kurators am Museum des Teschener
Schlesiens und wissenschaftlichen Mitarbeiters der Universität in
Teschen Dr. Grzegorz Studnicki thematisierte den
polnisch-tschechoslowakischen Streit um das Teschener Schlesien in den
Jahren 1918 – 1920.Vom Osten Deutschlands lenkte der Museumsleiter
des Dreiländermuseums in Lörrach, Markus Moehring, mit der
Präsentation des trinationalen Projektes Zeitenwende 1918/1919 den
Blick ganz in den Westen der Republik. Im Anschluss stellte Florian
Paprotny, Projektmitarbeiter in der Martin-Opitz-Bibliothek Herne, die
von ihm konzipierte Online-Ausstellung „Die Plebiszite von 1920 –
ein Votum für Ostpreußen“ vor. Ebenfalls auf diese Region bezogen
ist das von Dr. Sabine Grabowski vom Gerhart-Hauptmann-Haus in
Düsseldorf präsentierte Projekt „Gräber – Grenzen –
Gemeinsames Kulturerbe“, zu dem in diesem Jahr eine Ausstellung
entstehen soll, die Vorgeschichte und Projektergebnisse einer
breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen will.

Abschließend standen persönliche Erinnerungen und öffentliches
Gedenken an die Zeit im Mittelpunkt der Vorträge. Henryk Dumin vom
Riesengebirgsmuseum in Hirschberg befasste sich dabei mit alten
Rekrutenliedern und Erinnerungsstücken. Anna Celuch, Kuratorin im
Regionalmuseum Neumarkt, erläuterte in ihrem Beitrag abschließend
die Entstehungsgeschichte des 1920 gegründeten Neumarkter Museums und
des Museums der Schlacht bei Leuthen.

Abgerundet wurde die Tagung durch einen Besuch des Archivs der
Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn und natürlich einem Besuch in der
Ausstellung „Zwischen Revolution und Ruhrbesetzung. Die Folgen des
Ersten Weltkrieges für Schlesien“ von Haus Schlesien auf, die den
Anlass zur Tagung bot.

Den Vorträgen schlossen sich jeweils rege Diskussionen an, wobei
immer wieder die Frage aufkam, wie sich solche komplexen Sachverhalte
anschaulich darstellen lassen und wie unterschiedlichen Perspektiven
Raum gegeben werden kann. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung
mit der Region und den Ereignissen der Nachkriegszeit, bot die Tagung
den Teilnehmern die Möglichkeit, mit Kollegen aus anderen Häusern
ins Gespräch zu kommen, bestehende Kontakte zu vertiefen, sich über
aktuelle Aktivitäten und Projekte auszutauschen und neue
Kooperationen anzustoßen. Mit vielen neuen Ideen und Anregungen
reisten die Teilnehmer nach drei Tagen zufrieden wieder ab.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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