Vernissage im Kunstkabinett
Ordnungsgeschichten und Zuvielisation

Erstaunliche Werke bekamen die Besucher im Kunstkabinett bei der Vernissage der Künstlerin Mary Bauermeister zu sehen. | Foto: Michael Kupper
  • Erstaunliche Werke bekamen die Besucher im Kunstkabinett bei der Vernissage der Künstlerin Mary Bauermeister zu sehen.
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Hespert - „Ich freue mich, wenn es regnet, und wenn es nicht regnet, freue ich
mich auch.“ Mit dieser Variation des Zitats von Karl Valentin
verdeutlichte Mary Bauermeister gleich zu Beginn ihrer Vernissage im
Kunstkabinett Hespert die Gegensätzlichkeit und erstaunliche
Bandbreite der präsentierten Arbeiten. Ihre eigenen Werke stehen
dabei in engem Zusammenhang mit denen befreundeter Künstler.

So laden grafischen Arbeiten von vollendeter Harmonie zum Meditieren
ein, während beispielsweise die Arbeiten des Leningrader Malers
Sascha Boiko geradezu verstörend wirken. In seiner ersten Ansprache
als neugewählter Vorsitzender des Fördervereins wies Dr. Andreas
Brors als Nachfolger von Hellmut Riebeling darauf hin, dass die
aktuelle Ausstellung eigentlich sehr privat sei, da sie viele Werke
beinhalte, die das Leben von Mary Bauermeister begleitet und sie
inspiriert haben. Prägend für sie nannte er ihren Gedanken einer
umgedrehten Deutschlandfahne „aus der Kraft der Erde“ (schwarz
unten) durch die Macht der Liebe und Mitmenschlichkeit“ (rot) in das
„goldene Licht der Freiheit“. Die stellvertretende
Bürgermeisterin Susanne Maaß würdigte die 85-Jährige, die von den
New Yorkern liebevoll „Ein-Meter-Achtzig große Loreley“ genannt
wird als eine Künstlerin, die in ihrem Atelier Kunst, Architektur,
Musik und Literatur zusammenführt und zahlreiche avantgardistische
Künstler um sich versammelt hat:

„Poetisch und philosophisch sind ihre Arbeiten – aus hartem
Material und von großer Weichheit ihre Werke.“ Gerührt umarmte die
Künstlerin sie spontan: „Als so junger Mensch haben sie viel von
mir begriffen.“ „Ohne Franz Bodo Gerono wäre das Kunstkabinett
nicht das, was es heute ist“, erklärte Bauermeister und schenkte
ihm das einzige „überlebende“ Steinbild, das den Brand in ihrem
Wohnhaus an Karfreitag überstanden hat. Ihr Sohn Simon Stockhausen
improvisierte sodann aus fünf von den Gästen vorgegebenen Tönen und
Bauermeisters Werk „Ordnungsschichten“ als Partitur nutzend eine
orientalisch anmutende Melodie auf seinem Tenorsaxophon. Als
Besonderheit in der Geschichte des Kunstkabinetts wurde die Vernissage
anschließend in Bauermeisters Atelier fortgesetzt.

Dort wurden die Gäste als Bestandteil einer Performance einbezogen,
die der Bonner Schlagzeuger Cami Donneys musikalisch improvisierte und
dabei rhythmisch in Wechselwirkung mit den Darstellern ging. Im
Obergeschoss präsentierte Bauermeister ihr Werk „Zuvielisation“:
Ein derber, langer Holztisch, in der Mitte durch gerollten
Stacheldraht getrennt. Links davor zwei kleine Holzstühle und auf dem
Tisch eine karge Holzschüssel, rechts die Reste eines Gelages mit
unzähligen Weinflaschen und am Kopfende zwei riesige, gepolsterte
Stühle wie Throne, der größere fünf Meter hoch. Im Hintergrund ist
eine 22-minütige Klanginstallation von Bauermeisters Sohn Simon
Stockhausen zu hören: „Meine Mutter hat sich das schon seit Jahren
gewünscht und jetzt habe ich es ihr zu ihrer Vernissage geschenkt.“
Stockhausen, der gerne mit Originalton arbeitet, verbindet dabei
musikalisch die Klagen von Nonnen in Taipeh und die zackigen Rufe
russischer Soldaten auf einer Militärparade mit der kritischen Frage
seiner Mutter: „Warum muss man ausländische Lebensmittel
importieren, während hier die Äpfel achtlos von den Bäumen
fallen?“ Den Fragen „Was ist Kunst, wem dient die Kunst und was
macht der Künstler sonst noch?“ geht Mary Bauermeister am kommenden
Sonntag und bei entsprechender Nachfrage auch an den ersten drei
Novembersonntagen während der Dauer ihrer Ausstellung von 15 bis 17
Uhr nach. Dabei stellt sie ausgewählte Arbeiten einiger Künstler
zunächst in ihrem Atelier in Reichshof-Oberagger, Spicher Straße 1
vor: „Fantastisch wäre, wenn einige auch etwas zu Essen mitbringen
würden. Ich heize dann den Bollerofen ein und wir machen es uns
richtig gemütlich.“ Anschließend werden die Veranstaltungen im
Kunstkabinett mit weiteren Erläuterungen fortgesetzt. Die Ausstellung
ist samstags und sonntags bis zum 17. November von 15 bis 17 Uhr
geöffnet.

- Michael Kupper

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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