BENNEMANNs BLOG
Im Trend: Shabby-Sein

Ab und an gehe ich ehrlicherweise auch mal fremd, sonst halte ich es einfach nicht aus - immer denselben Trott. Gut, was du hast, das hast du, und willst es auch behalten, keine Frage. Aber Abwechslung, egal von welchen Gelüsten wir sprechen, ist für mich das A und O. Quasi Lebensphilosophie. Mal die Eissorte wechseln, statt Stracciatella Haselnuss, mal die Lippenstiftfarbe wechseln, statt Rot Pink, und auch nicht immer dieselben Nudeln essen, statt Spagetti auch einmal Penne! Auch das andere Begehren will gestillt, will befriedigt werden. Und deshalb schaue ich ab und an auch einmal nach rechts und nach links. Schaue, was und wer sich mir da anbietet, ja förmlich aufdrängt. Und dann ziehe ich da auch dran, ja, reiße sogar auf. Manchmal ist es ein klein wenig mühevoll, sich zu entscheiden. Weil, Angebote gibt es viele, die Konkurrenz schläft ja nicht und vieles wird feilgeboten.

Und du kannst es drehen und wenden, wie du willst, selbst wenn das andere nicht besser ist, ist es aber eben neu. Und deshalb schaue ich ab und an nicht nur in mein SCHAUFENSTER, weil da sammelt sich ja doch im Laufe der Zeit noch der ein oder andere Lesestoff in meinem Briefkasten. Deshalb meinte ich ja, dass ich da dran ziehe, dass es manchmal recht mühevoll ist, diese vielen Werbeheftchen aus dem Briefkasten zu fischen, zu ziehen, ja, zu reißen.

Die feine Broschüre "30 Jahre Kunstmuseum Bonn an der Museumsmeile" zum Beispiel. Ein Lesegenuss, allein schon die Titel der Ausstellungen. "Welt in der Schwebe" oder auch "Sound and Silence - Der Klang der Stille in der Gegenwart der Kunst." Und dazu folgende bewegende Worte: Der Klang der Stille wird in ganz unterschiedlicher Weise fassbar: als Monotonie, Wiederholung und Speicher; als Pause oder Überlagerung, als dröhnende Stille oder zerstörter Klang; im Wechselspiel zwischen meditativer Versenkung, erzwungenem Schweigen und stillem Widerstand" - ganz so wie auf meiner Verkehrsinsel!

Oder auch fein, ein kleiner Beitrag aus dem Ideenbuch namens "Selfmade" für Näher*innen: Ausdrucksstarke Individualist*innen. Genderaktivist*innen und Umweltschützer*innen. Politisch, exzentrisch und surreal. Prall gefüllt mit Second-Hand-Funden, abstrakter Folklore, Kunsthandwerk und Designlooks. Selbstgemacht, cooler Kitsch, einzigartig und einmalig. Der Look befreiend, bunt, kreativ. Fehler sind ein ästhetischer Glücksfall. denn Form und Gefühle übertrumpfen die Funktion. Aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft neu zu erfinden, das ist Retro-Cool. Hallo, wie wortgewaltig ist das denn?

Apropos, wo ich gerade beim Look bin. Welcher Look ja wohl auch wieder ganz im Trend liegt, oder eigentlich immer up to date war, ist ja dieser Shabby-Look oder Shabby Chic. Und da meine ich jetzt nicht diesen Einrichtungsstil, diese gekonnte Mischung aus Erbstücken, Flohmarkt-Schnäppchen und Selbstgemachtem. Shabby Chic bedeutet zwar wörtlich übersetzt "schäbiger Schick", in Wahrheit ist dieser Stil aber alles andere als schäbig. Nein, ich spreche von diesem Trend, ganz cool schäbig zu sein. Schäbig, ein Wort, das bei mir total in Vergessenheit geraten war. Was ich zutiefst bedaure! Ich hab auch nochmal extra nachgeschaut, was schäbig denn nun genau bedeutet. Als ich das Wort schäbig eingab, bot mir die Maschine sofort Synonyme zu "schäbiges Verhalten" und "schäbiger Mensch" an. Und genau diese Bedeutungen von schäbig meine ich: arglistig, boshaft, bösartig, böse, fies, garstig, gehässig, gemein, hinterfotzig, hundsgemein, niederträchtig, perfide, ruchlos, schuftig, schurkisch, schädlich, tückisch, verabscheuenswert, verabscheuungswürdig, verwerflich. Verstehst du, warum ich mich so was von ärgere, dass mir das Wort schäbig irgendwann abhanden gekommen ist? Ist das nicht ein feines Wort? Für so viele schlechte Charaktereigenschaften nur ein Wort: effizienter geht’s wirklich nicht.

Was genau sagen solch Zettel "Abgabe nur in Haushaltsmengen" oder "Maximal 3 Stück pro Einkauf" über unsere Gesellschaft, über uns Menschen, über jeden Einzelnen von uns aus? Was zeichnet diese Menschen aus, die, sobald sie hören, dass ein Produkt Mangelware ist, davon mehr kaufen statt weniger? Uns allen ist doch Folgendes klar: Wenn wir alle, wenn jeder Einzelne versuchen würde, mit diesem Gut sparsamer umzugehen, kämen wir alle trotz Mangel wunderbar über die Runden. Wenn alle etwas weniger von einem Mangelgut kaufen, ist für jeden genug da. Was genau sagt es über mich aus, wenn ich vor Monaten, nachdem es bei meinem Lieblingsdiscounter wochenlang kein Mehl gab. Dass ich dann beim Anblick einer riesigen Palette voll mit Mehlpackungen überlege, Mehl zu kaufen - obwohl ich kein Mehl brauche, weder zum Backen noch zu irgendetwas anderem.

Und so stehe ich dieses Mal auf meiner Verkehrsinsel und schäme mich. Schäme mich für all diejenigen, die in diesen Zeiten asoziales Verhalten an den Tag legen. Aber da, Gott sei Dank wieder ein schöner Gedanke: Hinnerk Schönemann in der Rolle als Jürgen Simmel verfolgt einen Verdächtigten per Pedes. Dieses Mal sogar, ohne vorher sein Jackett auszuziehen. Der Täter entkommt ihm. Sein Versagen erklärt mein Hinnerk seiner Kollegin Marie Brand entwaffnend einleuchtend: "Frau Brand, was soll ich sagen? Nicht gefangen, so zerronnen." Das wird er wohl nicht noch einmal machen - mit Jackett die Verfolgung aufnehmen.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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