"Hab ich was verpasst?"

Diese Frage kenne ich von den Copa-Boys Jötz, Jünter und Jürgen von WDR 2. Und wenn Sie sich die Frage stellen - ja, Sie haben was verpasst: Die Vernissage zur Ausstellung "Körperwelten". Okay, die tollen Kunstwerke der Künstlerin Birgit Brandt-Siefart kann man sich noch bis zum 2.April in der Stadtteilbibliothek Endenich anschauen - aber ohne ein Gläschen Prosecco dabei. Und den kleinen Vortrag von der "Wie-hieß-sie-doch-gleich" gibt’s auch nicht mehr. Aber ich bin ja nicht so. Ich hab den hier mal abgedruckt.
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Könnte ein bisschen kälter sein, der Prosecco - oder?
Und auch sonst so – ganz schön übersichtlich hier das Ganze – essensmäßig mein ich jetzt. Nicht dass ich deswegen komme, aber gehört schon irgendwie dazu, oder?
Also für mich persönlich kommen ja nur noch Vernissagen in Frage. Weil, ich bin über 50 – und eine Frau - also nicht da - für Männer quasi Luft. Und ich bin ehrlich, ich komme damit schlecht klar. Ja, ich habe ein Problem damit, mit dem Altwerden. Wie auch bitteschön nicht??

After Job Partys, Ü-30 und Co. - hab ich alles hinter mir gelassen. Wenn ich auf diesen Events so tue, als ob ich meine Mails checke – glaubt mir keine Sau. Und wenn ich mit einer Freundin ach so wahnsinnig viel zu erzählen habe und überhaupt gar nicht zum Tanzen hierher gekommen bin – glaubt mir auch kein Schwein. Sind wir doch mal ehrlich, egal wie diese Events sich nennen, es geht immer nur um meinen Marktwert. Ganz zu schweigen, wie ich mich fühle, wenn immer nur die beste Freundin aufgefordert wird – da kannst du drauf warten, bis das "beste" gestrichen wird – oder gleich die komplette Freundin.

Deshalb kommt für mich persönlich nur so was wie hier in Frage: Da fällt das gar nicht auf, wenn ich alleine herumstehe. Im Gegenteil, jeder denkt, das soll so. Also dass ich das will, mich in aller Ruhe der Kunst widmen. Wobei hier jetzt: Also die Sachen von der – wie heißt die Künstlerin noch gleich, ach da steht's auf der Einladung. Also die Sachen von dieser Birgit Brandt-Siefart. Also was mich betrifft, ich habe ja keine Ahnung von Kunst – Postmoderne, Neorealismus: interessiert mich alles nicht. Hauptsache, mir gefällt es. Das ist wie mit dem Rotwein: lecker muss er sein. Wenn diese Skulptur jetzt zum Beispiel mein Rotwein wäre, würde ich sagen: einfach lecker.

Was ja auch bei so einer Ausstellung einfach super ist: Sitzen ist gar nicht eingeplant.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber wenn ich mich einmal hingesetzt habe und dann wieder aufstehe – die Hose sitzt danach einfach für den Arsch: Dann heißt es erst einmal unten die Hose wieder über die Stiefeletten zubbeln, Beulen glatt streichen über den Knien, Innentaschen wieder schön rein krumpfeln und zum Schluss nochmal am Bund gezogen: Das ist nicht schön, wenn du dabei beobachtet wirst.

Gut, das viele Stehen – also rücken-, knie- und plattfußtechnisch – ist jetzt auch nicht das Gelbe vom Ei. Aber das ist ja das Tolle an so einer Vernissage. Da gibt es für mich kein festgelegtes Ende wie bei einem Konzert. Gut, das gibt´s bei der Ü30 Party auch nicht. Aber ich habe mich doch nicht stundenlang aufgebrezelt und geh dann schon um 11 Uhr. Damit alle mitbekommen, dass ich mich tierisch gelangweilt habe - wie bestellt und nicht abgeholt. Hier kann ich gehen, wann ich will: Wenn die sensomotorischen Einlagen meine Füße lang genug gequält haben und mein Rücken nach seinem Heizkissen schreit, geh ich einfach. Das fällt hier gar nicht auf. Kann doch keiner überprüfen, ob ich mir jetzt jedes Kunstwerk gebührend angeschaut habe. Und sowieso, dann hat mich das Werk des Künstlers eben nicht angesprochen!

Apropos Gehen, von wegen hosen- und rückenfreundlich. Die beste Strategie ist … Ich mache Ihnen das am besten mal vor: Langsam von Kunstobjekt zu Kunstwerk einen Fuß vor den anderen setzen, dabei schön auf dem ganzen Fuß abrollen ( Ihr Orthopäde wird stolz auf Sie sein), vor dem Objekt Wirbelsäule aufrichten, Füße hüftbreit parallel und während des Betrachtens tief ein- und ausatmen – ich persönlich mach dann auch immer noch meine Beckenbodenübungen. Und je besser mir ein Kunstwerk gefällt, desto effektiver die Übung.
Also vor dieser Figur zum Beispiel von der – jetzt hab ich den Namen schon wieder vergessen - Brandt-Siefart, ja richtig, also diese Figur ist doch einfach der Hammer, oder? Die schau ich mir gleich mal genauer an.

Apropos anschauen. Das ist ja auch das Tolle bei so einer Vernissage - das geht ganz ohne Brille! Ich mein, das muss ich hier nicht länger ausführen, aber mittlerweile liegt bei mir zuhause in jedem Zimmer mindestens eine Brille. Und neben der Waschmaschine eine Lupe, mit der ich die Dosierungsanleitung auf dem Waschpulver lese, so klein, wie das da drauf steht. Und einen Faden ins Nadelöhr einfädeln geht nur mit Brille und Lupe. Aber hier, kein Problem: Ich entferne mich so weit von einem Bild, bis ich etwas drauf erkenne. Gut, oftmals steht neben einem Kunstwerk Titel und Preis. Aber der Preis interessiert mich eh nicht. Weil, ich kauf ja nichts - und hab dabei noch nicht mal ein schlechtes Gewissen.

Weil, man stelle sich vor, es findet eine Vernissage statt, und keiner geht hin. Ich mein, das ist auch nicht schön für den Kunstschaffenden. Ja, selbst wenn ich nichts kaufe, meine zwei Gläschen Prosecco schlürfe und das ein oder andere Häppchen verkasematuckel – ich tu da quasi noch was Gutes - als Statistin, damit die Bude voll ist.

Aber der Prosecco könnte trotzdem ein Ideechen kühler sein, finden Sie nicht auch?
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Ich fand die Rede witzig!

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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