Hochwasseropfer
Immer noch ohne Küche und Waschmaschine

Birgit Felser und Rolf Jaeck stehen dort, wo früher einmal die Küche der Kommernerin war.  | Foto: ST/ProfiPress
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  • Birgit Felser und Rolf Jaeck stehen dort, wo früher einmal die Küche der Kommernerin war. 
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Mechernich-Kommern - (pp). Birgit Felser steht in der ehemaligen Küche ihres Hauses.
Eine Dunstabzugshaube hängt da, wo früher einmal der Herd gestanden
haben muss. Sie blickt auf nackte Wände, die das Fachwerk sichtbar
machen und auf den rohen Fußboden im leeren Raum. Man könnte meinen,
das Jahrhunderthochwasser habe nicht vor einem halben Jahr, sondern
erst vor einer Woche den Ortskern überflutet.

Das Fachwerkhaus von Birgit Felser steht direkt am Bleibach. Am 21.
Juli 2016 war sie mit ihrem Sohn zu Hause, als die Wassermassen von
der Straße her in die Zimmer strömten – denn das Erdgeschoss mit
Küche, Bad, Arbeits- und Esszimmer liegt etwas unterhalb der Straße.
„Wir haben zuerst noch nach unserer Pumpe gesucht, aber innerhalb
von fünf Minuten war das Haus schon vollgelaufen, das Wasser stand
1,40 Meter hoch“, erinnert sich Birgit Felser.

Durch den Druck fielen ihre Glasvitrinen mit sämtlichem Geschirr um,
die Tür hob sich aus den Angeln, Holzbalken aus dem Garten schwammen
durch die Wohnung. Was nicht durch die Wucht des Wasserstroms
zerstört wurde, dem gab die braune Brühe den Rest: „Das Abwasser
mit allen Fäkalien wurde hochgeschwemmt und vermischte sich mit
Heizöl aus einem Tank“, erzählt Birgit Felser.

Am schlimmsten sei es, dass sie viele persönliche Dinge verloren
habe: „Ich hatte viele antike Möbel, die ich nun wegschmeißen
musste und alle Kinderfotos wurden vom Hochwasser zerstört – da war
einfach nichts mehr zu retten“, erzählt sie mit Tränen in den
Augen.

Inzwischen bewohnt die Kommernerin seit einem halben Jahr die zwei
Zimmer im Obergeschoss ihres Hauses. Ohne Küche muss sie sich mit
Kaffeemaschine, Mikrowelle und Thermomix behelfen. Eine Waschmaschine
hat sie seit dem vergangenen Juli nicht mehr. Sie ist froh, dass sie
ihre Wäsche seitdem bei Familie und Freunden waschen darf. Dennoch:
„Es geht schon an die Substanz, immer wieder um Hilfe bitten zu
müssen.“

Dass sich im Haus von Birgit Felser seit dem Hochwasser noch nichts
getan hat, liegt an der späten Reaktion ihrer Versicherung. Kurz nach
der Überschwemmung begutachtete ein Sachverständiger ihr Haus –
doch es dauerte drei Monate, bis die Versicherung im November die
Zusage gab, die Kosten für die Erneuerung des Fachwerks zu
übernehmen. Die Crux: Durch das Hoch-wasser sind die Holzbalken des
Fachwerks von Schimmel befallen. Bevor sie nicht ausgetauscht werden,
kann im Inneren des Hauses nicht gearbeitet werden.

Mit der Kostenzusage im November war es aber aufgrund der kalten
Temperaturen nicht mehr möglich, mit den Arbeiten am Fachwerk
anzufangen. Stattdessen muss Birgit Felser nun abwarten, bis das
Thermometer wieder über sechs Grad steigt, um die Balken austauschen
lassen zu können. Erst danach kann können die Räume im Erdgeschoss
wieder verputzt und alle Elektroleitungen ausgetauscht werden. Und
erst dann können der Fußboden erneuert und eine neue Heizung
installiert werden, um das Haus langsam wieder bewohnbar zu machen.

Für Rolf Jaeck, Ortsvorsteher in Kommern, ist die Sache klar: „Das
hat alles so lange gedauert, weil man sich bei der Versicherung nicht
einig werden konnte, wer zahlen muss. Da fragt man sich, wofür man
überhaupt die Versicherungsprämien zahlt.“ Rolf Jaeck hat viele
betroffene Familien nach dem Hochwasser in Kommern begleitet und auch
das das Spendenkonto für die Flutopfer zusammen mit dem Kommerner
Vereinskartell initiiert.

„Mit den Versicherungen war es überall schwierig, da hat man den
Betroffenen viele Steine in den Weg gelegt – da muss man auch
seelisch erstmal mit fertig werden“, erzählt er. So gebe es immer
noch Familien, die in Ferienwohnungen lebten, weil ihre Häuser nicht
bewohnbar seien.

Für Birgit Felser gab nun einen neuen Rückschlag: Ihre Versicherung
hat ihr die Kündigung zugestellt. Zwar muss der Versicherer die
Kosten für die entstandenen Schäden, die wohl mehr als 100.000 Euro
betragen, übernehmen, doch für die Kommernerin wird es nun schwer,
nach diesem Schaden eine neue Versicherung zu finden. „Bisher habe
ich immer gedacht, dass es schon irgendwann besser werden wird, aber
jetzt habe ich wirklich Angst um meine Existenz“, sagt Birgit
Felser.

In dieser schwierigen Zeit ist sie dankbar für die Hilfsbereitschaft
von Familie und Freunden, aber auch für die Unterstützung, die sie
über die Spenden erreicht hat: „Ohne diese Schützenhilfe wäre ich
verloren gewesen.“ Obwohl das Spendenkonto inzwischen geschlossen
wurde, ist die Hilfsbereitschaft in Kommern ungebrochen, immer noch
kommen hier und da weitere Spenden zusammen. Wer die Flutopfer weiter
unterstützen möchte, kann sich unter der Telefonnummer 02443-6188 an
Rolf Jaeck wenden.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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